Volltext: In Stahlgewittern

Mein letzter Sturm 
Cines Nachmittags setzte ich mich aufs Rad und fuhr 
nach Cambrai hinein. Das liebe, alte Städtchen war wüst 
und öde geworden. Läden und Kaffees waren geschloffen; 
die Straßen schienen tot, trotz der feldgrauen Woge, die sie 
durchflutete. Ich fand Herrn und Frau Plancot, die mir 
das Jahr zuvor ein so schönes Quartier geboten hatten, 
herzlich erfreut über meinen Besuch. Sie erzählten mir, 
daß sich die Verhältniße in Cambrai in jeder Beziehung 
verschlechtert hätten. Besonders beklagten sie sich über die 
häufigen Fliegerbesuche, die sie zwängen, des Nachts oft 
mehrere Male die Treppen auf und nieder zu eilen, über 
die Frage streitend, ob es ratsamer sei, im ersten 
Keller durch die Bombe selbst oder im zweiten durch Ver- 
schüttung umzukommen. Die alten Herrschaften mit den 
sorgenvollen Mienen taten mir herzlich leid. Einige 
Wochen später, als die Geschütze zu sprechen begannen, 
mußten sie Hals über Kopf das Haus verlaßen, in dem sie 
ihr Leben verbracht hatten. 
Am 23. August gegen elf Ahr nachts wurde ich durch 
heftiges Pochen gegen meine Tür hochgeschreckt, als ich gerade 
sanft eingeschlafen war. Cin Läufer brachte Marschbefehl. 
Schon tags zuvor war von der Front das eintönige Rollen 
und Stampsen eines ungewöhnlich heftigen Artillerieseuers 
herübergebrandet und hatte uns beim Dienst, beim Cffen 
und beim Kartenspiel gemahnt, uns keinen Hoffnungen auf 
eine längere Dauer unserer Ruhezeit hinzugeben. Für dieses 
ferne Brodeln des Kanonendonners hatten wir den klang¬ 
vollen Frontausdruck „es wummert" geprägt. 
Rasch packten wir und traten während eines wolken¬ 
bruchartigen Gewitters auf der Straße nach Cambrai an. 
Unser Marschziel war Marquion, wo wir gegen sünf Ahr 
morgens eintrafen. Der Kompanie wurde ein großer, von 
einer Reihe verwüsteter Stallgebäude eingeschloffener Hos 
zugewiesen, in dem sich jeder so gut wie möglich unter- 
brachte. Ich kroch mit meinem einzigen Kompanieoffizier, 
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