Volltext: Oberste Heeresleitung und Balkan

Balkanstaaten bringen. Hiermit war die unbedingte Abhängigkeit der 
von ihnen verfolgten Politik von der großen Lage im allgemeinen und 
der Kriegslage im besonderen ausgesprochen. Die Balkanstaaten wünsch¬ 
ten mit dem voraussichtlichen Sieger im europäischen Ringen zu gehen 
und ihm ihre Kräfte zu einem Zeitpunkt zuzuführen, wo der Kraftzuschuß 
für den Sieger zwar noch militärisch wertvoll, die Hauptarbeit aber von 
ihm bereits getan war. Die Durchführung einer solchen Politik war 
naturgemäß schwierig. Schwer war es, frühzeitig zu erkennen, wem der 
Sieg sich zuzuwenden schien, noch schwerer war es, den für die eigenen 
Interessen günstigsten Zeitpunkt zum Eingreifen zu bestimmen. Bei zu 
später Wahl verlor man den Anspruch, bei Friedensschluß vom Sieger 
mit seinen Wünschen gehört ^zu werden; griff man verfrüht ein, hatte 
man verstärkte Lasten zu tragen. 
So war es erklärlich, daß der Politik der Balkanstaaten etwas Schwan¬ 
kendes und Unzuverlässiges anhaftete und je nach der Beurteilung der 
Siegesaussichten für die kriegführenden Parteien das Steuer bald in 
diese, bald in jene Richtung gedreht wurde. Mit ihrem ewigen Auf und 
Ab war sie einer Wellenbewegung vergleichbar, nur daß nie vorausgese¬ 
hen werden konnte, wann ein Wellenberg, wann ein Wellental zu erwarten 
war. Vom Standpunkt des kriegführenden Europas war dieser Schwebe¬ 
zustand des Balkan ermüdend, gleichwohl erforderte er schärfste Wach¬ 
samkeit wegen der in ihm ruhenden Keime zu gefährlichen Entwicklun¬ 
gen. Der Auffassung der Balkanmächte, in dem europäischen Kriege eine 
selten günstige Gelegenheit zu haben, eigene Wünsche zu verwirklichen, 
mußten sich beide europäische Parteien anbequemen und für die von 
ihnen gewünschten Leistungen dieser Staaten Gegenleistungen in Aus¬ 
sicht stellen. So nahm die Balkanpolitik allmählich die Formen eines 
Handelsgeschäftes an. Jede der kriegführenden Parteien, bewußt der 
Bedeutung, die Balkan und Naher Orient für den Ausgang des großen 
Krieges haben konnten, bemühte sich durch gegenseitiges Überbieten den 
Balkan zu gewinnen, während dieser durch geschicktes Ausspielen der 
beiden Seiten und durch sich steigernde Forderungen immer größere 
Gewinne herauszuschlagen suchte. 
Wie schon vor, so nahm erst recht nach Ausbruch des Krieges der 
Kampf der Großmächte um den Balkan die schärfsten Formen an, nur 
daß mit diplomatischen, nicht mit militärischen Waffen gestritten wurde. 
So wie die Dinge in Athen und Bukarest lagen, stand der Gegner von 
vornherein in einer vorteilhafteren Stellung. Nicht die Mittelmächte, wohl 
aber der Feind verband hatte die Möglichkeit, die Haltung in Athen durch 
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