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Die Jugendjahre Nidhards sind in Dunkel gehüllt. Ein altes Geschichts-
werk 1 ), das sich freilich über die Abstammung des Kardinals schlecht unterrichtet
zeigt, will folgendes wissen: „In seiner ersten fügend nahmen ihn die kayserlichen
soldaten mit, weil er aber einen vortrefflichen geist zeigte, ward er zum studieren
gehalten und wendeten die Jesuiten zu Grätz allen fleiß an, daß er die ehre ihres
ordens befördern möchte." Daß er einige Zeit in Kriegsdiensten gestanden, scheint
sicher zu sein. Als 23jähriger Jüngling trat er sodann am 6. Oktober 1631 in
die Gesellschaft Jesu ein.
Nach Vollendung des in diesem Orden üblichen, ziemlich weitläufigen Bildungs-
ganges war er auch einige Zeit an dem Jesuitengymnasium in Linz als Lehrer
tätig. 2 ) Von da kam er nach Graz und dozierte an der dortigen Akademie Moral,
Philosophie und Kirchenrecht. Schon war er von seinen Oberen dazu bestimmt,
auch scholastische Theologie und Apologetik vorzutragen, da wurde er 1644 von
Kaiser Ferdinand III. an den Wiener Hof berufen, wo er zunächst das Amt eines
Hofpredigers, sodann die Stelle eines Lehrers und Beichtvaters der Erzherzogin
Maria Anna und späterhin mit P. Miller auch die Stelle eines Erziehers und
Lehrers des Erzherzogs Leopold Ignaz, des nachmaligen Kaisers Leopold I., bekleidete.
Als Nidhard an den kaiserlichen Hof kam, war Erzherzog Leopold Ignaz
erst vier Jahre alt. Man rechnete nicht mit der Möglichkeit, daß dieser Prinz,
dessen liebstes Vergnügen es war, Altärchen zu bauen und nach Priesterart zu
amtieren, einstmals den kaiserlichen Thron besteigen könnte. Der Vater meinte, man
solle ihn seine Wege gehen lassen, er werde dereinst ein vortrefflicher Kirchenfürst
werden. So wurde er denn für den geistlichen Stand erzogen und die Patres
Miller und Nidhard bildeten ihn in den Sprachen und Wissenschaften so gründlich aus,
daß Leopold einer der gelehrtesten Fürsten des Jahrhunderts wurde. 3)
Als Prinzenerzieher war übrigens Nidhard bloß bis ins neunte Lebensjahr
des Erzherzogs Leopold Ignaz tätig. Denn nun trat ein Ereignis ein, welches
sein Leben in eine ganz andere Bahn lenken sollte. Als nämlich die Erzherzogin
Maria Anna im Jahre 1649 nach Spanien übersiedelte, um dem Könige Philipp IV.
angetraut zu werden, mußte er sie über Wunsch des Kaisers als ihr Gewissensführer
dahin begleiten. So wurde er der Beichtvater und vertrauteste Ratgeber der
spanischen Königin.
Ein Jahr zuvor, am 8. September 1648, hatte er die feierlichen lebens-
länglichen Profeßgelübde abgelegt.
2. In Spanien unter Philipp IV.
Unter dem Zepter Philipps IV. befand sich Spanien in einer Periode augen-
scheinlichen Niederganges. Von dem Reiche Karls V. und Philipps II. löste sich
eine Provinz um die andere. Der Landbau war vernachlässigt, das Volk mit
Steuern überladen, der Adel dem Müßiggang und der Verschwendung ergeben, das
Heer wiederholt geschlagen, der Hof mehr um die Etikette besorgt als um den
Staatshaushalt. Trotz einiger guten Eigenschaften war König Philipp IV. nicht
der Mann, der in dieser Lotterwirtschaft hätte Wandel schaffen können.
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1 ) „Leopolds des Grossen Rom. Kaysers wunderwürdiges Leben und Thaten." Cölln 1713.
S. 39. Dieses sonst verläßliche und auch von Onno Klopp öfters benutzte Werk läßt Nidhard
irrtümlicher Weise von evangelischen Eltern niedrigen Standes zu Gold-Aurach in Franken
geboren werden.
2 ) Georg Kolb S. J., Mitteilungen über das Wirken der P. P. Jesuiten und der
marianischen Kongregation in Linz während des 17. und 18. Jahrhunderts. Linz 1908. S. 81.
3 ) Joh. B. Weiß, Weltgeschichte IX 3 S. 487.