Volltext: Ein Volk in Waffen

. Nach Scdan. 
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Zuweilen fährt der Zug mit gewöhnlicher Geschwindigkeit, aber bald 
bereut er das und fährt wieder langsam, als ob die Last von Toten, 
die er in Form von Geschossen mit sich führt, die Erschütterung nicht 
vertrüge. Der Bahnkörper liegt nun hoch, und wir fahren auf einer 
Brücke über eine Landstraße. Unten steht ein Soldat mit einem Gewehr 
und sicht zum Zug hinauf. 
Da plötzlich ein Dorf, zusammengeschossen und eingeäschert, nur 
noch aus kahlen Mauern bestehend, die zwischen Bäumen hervorlugen. 
Eine Allee ist zum Teil umgehauen, auch die Bäume am Rand eines 
Gehölzes in der Nähe der Bahn sind gefällt. Wohl um die Bewachung 
zu erleichtern und Attentaten vorzubeugen? Nein; weiterhin sind die 
Stämme aufgestapelt, ein Gütcrzug wartet auf sic; sie sollen als Bahn- 
schwellen dienen. 
„Langsam fahren!" steht an scharfen Kurven auf großen Schildern; 
die deutschen Lokomotivführer fühlen sich noch nicht so heimisch. Doch ist 
der Verkehr nicht besonders lebhaft; man begegnet nur wenigen Zügen 
auf dieser zweispurigen Bahn. 
Layaux — Coustcumont — Hamipre, kleine Stationen; die Soldaten 
sitzen in guter Ruh, rauchen Zigarren und lesen die neuesten Zeitungen. 
Longlier und Ncufchätcau sind größere Stationen; vom Kupeefenstcr aus 
werden einige zerstörte Häuser sichtbar. Bei Libramont geraten wir 
dicht neben einen gewaltigen Truppenzug, der wie wir Scdan zum Ziel 
hat. Der ganze Zug ist laubgcschmückt, als ging es zu einem Sommcrfcst. 
Draußen zwischen den Wagcnfcnstcrn liest man mit Kreide geschriebene 
Sprüchlein, die von der guten Laune der Passagiere zeugen, z. B. „Auf 
zum Mittagessen nach Paris; steht schon bereit", und andere derartige 
Scherze. Unter fröhlichem Singen und Lachen rollt der Zug seinem 
unbekannten Schicksal zu. 
Nach cinstündigcm Aufenthalt kommt die Reihe wieder an uns, und 
mir fahren über Felder, auf denen duftende Hafergarben wie Soldaten 
in Reih' und Glied stehen. Eine Brücke ist zu Beginn der Invasion 
gesprengt worden, offenbar um den Bahnverkehr zu stören, der unter 
ihrem Bogen hindurchfühlt. Nun sind Eiscnbahnbautruppcn damit be¬ 
schäftigt, sie wieder herzustellen. Sonst sicht man von der Bahn aus 
in Bclgisch-Luxcmburg nicht viel von den Wirkungen des Kriegs.
	        
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