Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Krisen und Katastrophen im Zeindlager 
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4 Armeen und 2 Kavalleriekorps, und den englischen Armeen erringen zu können. Am 
9. April leiteten diese die große Offensive bei Arras ein, am 16. April folgte nach 
zehntägiger Artillerievorbereitung der Vurchbruchsversuch der Franzosen auf Grund 
des im napoleonischen Stil gehaltenen Tagesbefehls ihres Oberstkommandierenden: 
„L’heure est venue! Confiance! Courage! Vive la France!“ Anderthalb Millionen 
Mann, 3500 Geschütze, 200 Tanks, 33 Millionen Granaten waren bestimmt, durch 
einen großen Schlag das Ende des Krieges zu bringen, „ein großartiges Ausmaß der 
Schlacht", wie ein französischer Schriftsteller sagt, „die nach Durchbrechung der Front 
den entscheidenden strategischen Sieg erstrebte". 
Schon der erste Tag brachte die Sicherheit einer vollen Niederlage. 
„Als die Nacht sich an diesem tragischen Tage auf das Schlachtfeld senkte, war der versuch 
zum Durchbruch auf der ganzen Front gescheitert", 
so schildert der damalige französische Kriegsminister painleve den Eindruck des Tages, 
der in Paris tiefste Bestürzung, ja Verzweiflung hervorrief. 
Zwar wurde der französische Angriff noch einige Zeit auf der ganzen Front und 
dann in einzelnen Teilunternehmungen fast bis Ende Mai fortgesetzt, aber all dieses 
konnte an seinem Schicksal nichts mehr ändern, mußte vielmehr nur die außerordent¬ 
lich schweren Verluste der ersten Tage noch vermehren, wo sie 34000 Tote und über 
100000 verwundete betragen hatten, vie Schlacht war und blieb endgültig verloren. 
Der Rückschlag in der Stimmung der französischen Bevölkerung war ganz gewaltig, 
ähnlich wie bei uns im Oktober 1918, aber er griff im Gegensatz zu uns auch auf 
die gesamte Armee über. Da General Nivelle sich weigerte, das Oberkommando 
niederzulegen, wurde er fast zwangsweise von seiner Stellung entfernt und General 
pötain zu seinem Nachfolger ernannt. Aber dieses allein half nicht, ver schon er¬ 
wähnte Kriegsminister painlevö gibt folgende bezeichnende Schilderung der da¬ 
maligen Lage: 
„Niedergeschlagenheit und Entmutigung der Truppen, Zwist zwischen den einzelnen 
Waffen, Groll und Entrüstung der Frontoffiziere gegen die Führung und die Heeresleitung, 
Mißtrauen und Mangel an Offenherzigkeit unter allen militärischen Graden, niemals hat 
die französische Armee eine so schreckliche moralische Krisis durchgemacht, 
wie anfangs Mai 1917!" 
Zm März desselben Jahres war in Rußland die Revolution ausgebrochen. Bei 
den in Frankreich kämpfenden russischen Regimentern erschienen bald Abgesandte 
aus der Heimat und verleiteten sie dazu, die „Errungenschaften" der Revolution wie 
Soldatenräte, rote Fahnen, Wahl der Offiziere durch die Mannschaften und ähnliches 
mehr auch bei sich einzuführen. Dieses Beispiel steckte an. Französische Urlauber 
sangen die Internationale und riefen: Es lebe der Friede! Regimenter verwei¬ 
gerten den Gehorsam, als sie an die Front geschickt werden sollten, andere Re¬ 
gimenter stürmten die Bahnhöfe, um nach Paris zu fahren, gegen das Parlament zu 
marschieren und die Revolution durchzuführen, viele Regimenter wählten Sol¬ 
datenräte und verschanzten sich in ihren Unterkunftsorten. 
„Damals gab es zwischen Soissons und Paris nicht mehr als zwei Divisionen, auf die man 
sich bedingungslos verlassen konnte. Ein schwacher Vorstoß des Feindes hätte genügt, um 
überall Verwirrung hervorzurufen." 
In der Kammer äußerte sich der Kriegsminister im Juni des Jahres folgendermaßen: 
„Pläne, die napoleonisch sein wollen und in wenigen Tagen feindliche Armeen in Stücke 
zu schlagen beabsichtigen, während man doch heute ein Volk in Waffen sich gegenüber hat, 
dürfen nicht mehr vorkommen."
	        
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