Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Ernst o. Eisenhart Rothe 
Stellung an der Westseite zu landen und sich auch zu behaupten. Ihr versuch, von 
hier aus dem tapferen Verteidiger in den Rücken zu fallen, scheiterte an dem zähen 
widerstände frisch herbeigeeilter türkischer Verstärkungen. Ruch hier entwickelte sich 
der Kampf nach dreiwöchigem blutigen Ringen zum Stellungskriege, der ununter¬ 
brochen bis zum Winter dauerte. 
Oie Engländer gewannen trotz aller mit größter Energie wiederholten versuche 
nicht einen Schritt Loden. Ihre Lage wurde allmählich verzweifelt, um so mehr, als 
deutsche U-Boote durch ihre erfolgreiche Tätigkeit die Verpflegung und Versorgung 
der allierten Truppen außerordentlich erschwerten und eine Reihe feindlicher 5chiffe 
versenkten. Oie schon erwähnte Niederwerfung Serbiens und die dadurch ermöglichte 
Ausstattung der Türkei mit Waffen und Munition aus Deutschland machte die Lage 
für den Angreifer bald gänzlich hoffnungslos. Oer englische Kriegsminister, Lord 
Kitchener, überzeugte sich im November hiervon persönlich. Nach schwerem inneren 
Kamps entschloß sich die Entente dazu, die mit so großen Hoffnungen begonnene 
und so siegesgewiß der Welt verkündete Unternehmung ganz aufzugeben, den Rück¬ 
zug anzuordnen und somit die endgültige Niederlage offen einzugestehen. Oer 
englische Gberstkommandierende weigerte sich, den Rückzugsbefehl auszuführen und 
mußte durch einen anderen Admiral ersetzt werden. Gewaltige Mengen von Vor¬ 
räten und Kriegsgerät» sowie das gesamte Zeltlager fielen in die Hände der siegreichen 
Türken. Oie Verluste an Menschen waren auf beiden Seiten außerordentlich groß, 
allein die der Engländer werden auf 130000 Mann an Toten und Verwundeten 
angegeben, neben 100000 Lazarettkranken. Ein amerikanischer Lerichterstatter nennt 
Gallipoli „die Stätte des Entsetzens, das furchtbarste und blutigste Schlachtfeld, das 
die Geschichte kennt". 
Doch noch bedeutend größer war die moralische Einbuße, die England in der 
ganzen Welt erlitt, ganz abgesehen davon, daß der nächste Zweck des Unternehmens, 
den Weg nach Rußland zu öffnen, nun für immer verfehlt war. Es war eine zweifel¬ 
lose, durch nichts zu bemäntelnde Niederlage ganz großen Umfanges, die nicht nur 
den Verlust einer langbauernden Schlacht bedeutete, sondern die Aufgabe eines ganzen 
Zeldzugsplanes, und alles das einem verachteten §einde gegenüber, der eben erst 
im Balkankriege schwer geschlagen war, und den man gewöhnt war als „kranken 
Mann" zu behandeln. Daß eine Handvoll deutscher Offiziere und Mannschaften den 
Türken Widerstandskraft und Lebensenergie bis zum Siege einzuflößen wußten, 
vermochte die schwere Enttäuschung nicht zu mildern. Nur äußerst geschickte Propa¬ 
ganda, die ja niemand besser zu meistern versteht, als der Bewohner Albions, konnte 
den Eindruck der Katastrophe im Zn- und Auslande mildern und allmählich ver¬ 
wischen. Neue gewaltige Ereignisse aus dem anderen Kriegsschauplatz taten das 
Ihrige hinzu. 
Die Katastrophe 1915 im Osten 
Während das Jahr 1915 auf dem französischen Kriegsschauplatz mit einer Reihe 
ebenso blutiger wie erfolgloser Angriffe der Ententeheere bei Arras und in der Eham- 
pagne ausgefüllt war, entschloß sich die deutsche Oberste Heeresleitung im Mai des 
Iahres zu einer großen Offensive gegen den russischen Gegner, die — unter dem 
Namen Tarnow-Gorlice zusammengefaßt — im September 1915 ihr Ende fand und 
zu einem ungeheuren Erfolge an Ländergewinn und eroberten §estungen, Ge¬
	        
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