Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Ernst Kabifcb 
Obersten v. Nlertz und hege, Major v. Stülpnagel, unter dem Gesamtbild, daß heute 
hier, morgen da eine Lücke aufgerissen werde, von der man nicht wüßte, ob sie sich 
nicht zum klaffenden Durchbruch erweitern würde. Fast allabendlich mußte in den 
letzten Septembertagen General Ludendorff die Frage prüfen, ob das nicht heute 
dem Feind gelungen sei. Schon hatte Österreich am 15. September in besonderer 
Note sich bereit erklärt, Frieden zu schließen,' am gleichen Tage waren die Alliierten 
in die bulgarischen Stellungen zwischen Terna und wardar eingebrochen. Km 26. 
folgte Bulgariens Abfall. Am gleichen Tage erhielt der Staatssekretär des Aus¬ 
wärtigen Amtes hintze vom Vertreter des Auswärtigen Amts bei der Obersten 
Heeresleitung, Freiherrn v. Leisner, ein Telegramm: „Oberst hege, General 
v. Lartenwerffer, Oberst v. Mertz halten unsere Lage für sehr bedrohlich, halte 
baldiges Herkommen Euer Exzellenz, das die Generale dringend erbitten, für das 
wichtigste." 
Am 28. September reiste hintze nach Spa. Am gleichen Tage 10 Uhr vormittags 
erhielt der Reichskanzler Graf hertling durch Oberst v. winterfeldt die Mitteilung, 
die Oberste Heeresleitung sei zu der Überzeugung gelangt, eine Umbildung der Re¬ 
gierung oder Ausbau auf breiterer, volkstümlicher Grundlage sei erforderlich, um 
die notwendige innere Einheitsfront herbeizuführen. Darauf entschloß sich Graf 
hertling, sofort dem vorausgefahrenen Staatssekretär nach Spa zu folgen und seinen 
Abschied zu erbitten; den Schritt der Parlamentarisierung der Regierung wollte er 
nicht mitmachen. 
Am gleichen Tage 6 Uhr nachmittags hielt Ludendorff dem Feldmarschall vor¬ 
tragt). „Der Geist unserer Truppen hat nachgelassen, beim Feinde zeigt sich volle 
Kampfkraft. Die Ausfälle an Menschen werden bei weitem nicht mehr gedeckt; immer 
wieder müssen Divisionen aufgelöst werden. Nach dem Abfall Bulgariens ist für die 
Entente der Landweg nach Konstantinopel wie nach der Donau frei. Damit wird 
Rumänien wieder abfallen, unsere Ölversorgung aufhören. Könnten wir das Kriegs¬ 
glück im Westen wenden, dann wäre noch nichts verloren, aber dazu fehlen die 
Mittel; im Gegenteil, wir müssen mit weiteren Rückschlägen rechnen. Unsere Lage 
kann sich nur noch verschlechtern. Der Krieg ist verloren, wir müssen ein Waffen¬ 
stillstands- und Friedensangebot herausgehen lassen, bevor es zum völligen Zusammen¬ 
bruch kommt." Und der Feldmarschall stimmte zu; er sei bereits selbst zu gleicher 
Auffassung gelangt. 
Am 24. September fand 10 Uhr vormittags eine erste Besprechung statt zwischen 
hindenburg, Ludendorfs und hintze; Oberst hege war zugegen, hintze sprach von 
Bulgariens vollzogenem, Österreich-Ungarns bevorstehendem Abfall, zunehmender 
Not im Innern, seinen Friedensbemühungen über Holland, hierauf schilderte Luden¬ 
dorff die militärische Lage, forderte sofortigen Waffenstillstand, hintze glaubte hieraus 
entnehmen zu müssen, daß eine Katastrophe unmittelbar bevorstehe. Er schilderte die 
schweren Folgen eines so völlig unerwarteten Schrittes auf das noch von Sieges¬ 
hoffnungen erfüllte Volk, vor dem Waffenstillstandsangebot müsse Bereitschaft zum 
Frieden erklärt, auch müßten alle Volkskräfte zusammengerafft werden. Dazu Dikta¬ 
tur — wenn man in absehbarer Zeit militärische Erfolge erhoffen könnte, sonst „Re¬ 
volution von oben", Aufnahme parlamentarischer Führer in die Regierung. Die 
l) Hauptgedanken des Folgenden aus Ludendorffs Aufzeichnungen vom ZI. Gktober 1918 über 
das lvaffenstillstandsangebot.
	        
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