Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hugo v. lvaldeger-hartz 
Raum, um die verhafteten zweckmäßig unterzubringen. Man behalf sich, indem man 
einen Handelsdampfer hierfür herrichtete. Ferner trat man mit dem Kriegsministerium 
in Verbindung wegen Gestellung von Begleitmannschaften zur Überführung in ein 
Gefangenenlager, über die Ereignisse liefen schneller. üls der Flottenchef die Über¬ 
zeugung gewann, daß es zunächst darauf ankäme, an Bord der Schiffe Beruhigung 
eintreten zu lassen, verteilte er — ein unglückseliger Entschluß! — die einzelnen Ge¬ 
schwader auf verschiedene Häfen und Liegeplätze, anstatt sie auf Jade oder Elbe ohne 
Verbindung mit Land ankern zu lassen. Ruf diese weise kam das III. Geschwader 
nach Kiel, wo es am 1. November eintraf, und nun nahm das Unglück seinen Lauf. 
Niel war nicht minder verseucht als Wilhelmshaven. Ruch hier hatten die Leiter des 
Umsturzes gut vorgearbeitet. Bereits am 1. November fand abends im Gewerk¬ 
schaftshaus eine von etwa 300 Mann veranstaltete Versammlung statt, zumeist von 
Leuten des Linienschiffs „Markgraf" besucht, wo die Flammenzeichen des Umsturzes 
grell auflohten, vas Betreten des Gewerkschaftshauses wurde hinterher allen Militär- 
personen durch Anschlag verboten. Oie Folge war, daß sich am nächsten Tage be¬ 
urlaubte Mannschaften des III. Geschwaders auf einem außerhalb der Stadt ge¬ 
legenen Exerzierplatz versammelten. Zu ihnen stießen Leute der Landmarineteile und 
Werftarbeiter. Drei führende Persönlichkeiten der USPO waren zugegen. Insgesamt 
hatten sich etwa 600 Mann zusammengefunden. Es wurden scharfe Reden gehalten, 
jeder müsse werben, am nächsten Tage hätten Tausende zu erscheinen. Oie Versamm¬ 
lung schloß mit einem hoch auf die USPO. Oie Zurückkehrenden wurden von einer 
Kompanie Seesoldaten gestellt, über auch hier war der Geist der Zersetzung bereits 
am Werk, üus den Reihen der Kompanie heraus tönte es den Umsturztreibern ent¬ 
gegen: „Lauft davon, wir sollen euch fangen!" Nur 70 Mann wurden verhaftet, 
über auch sie ließen die Seesoldaten auf dem Rückmarsch entweichen. 
Zm Stationskommando war inzwischen bekannt geworden, daß für den 3. No¬ 
vember nachmittags — es war ein Sonntag — ein Massenumzug geplant sei mit dem 
Ziel, verhaftete vom „Markgraf", die im ürresthaus der Garnison untergebracht 
waren, zu befteien. üls Gegenmaßnahme wurde für 4 Uhr nachmittags Stadtalarm 
befohlen. Man erwartete, daß jeder Mann zu seinem Marineteil oder an Lord zurück¬ 
kehren werde, wo belehrende und beruhigende ünsprachen das Feuer der Bewegung 
zum Verlöschen bringen sollten, wünsche auf schärferes vorgehen, die von ver¬ 
schiedenen Oienststellen vorgebracht wurden, lehnte das Stationskommando mit dem 
Bemerken ab, daß man hierdurch in ein völlig falsches Fahrwasser geraten würde. 
Oer ülarm versagte von ünbeginn ab. Er wurde für viele schwankende Geister zum 
Signal, sich um die Meuterer zu scharen, deren Führer bereits im engsten Einver¬ 
nehmen mit der Ortsgruppe Kiel der USPO arbeiteten. Tausende von Menschen, 
Männer und Frauen, Militär und Zivil, fanden sich außerhalb Kiels zusammen, 
und dann ging es in geschlossenem Zuge — völlig Unbeteiligte wurden zur Teil¬ 
nahme gezwungen — in die Stadt hinein, wo sich die Roheit in vemolierung von 
Kaffeehäusern auszutoben begann. Oie „Internationale" und die „Republik" wurden 
dabei leben gelassen. „Weg mit dem Kaiser" hieß es immer wieder. Eine Offizier- 
patrouille brachte die Massen an einer Straßenecke zum Stehen. Schüsse fielen, auf 
beiden Seiten kostete es geringe blutige Opfer. Oie Bewegung wurde jedoch nicht 
eingedämmt, es stand ihr nicht einmal der Schatten erforderlicher Energie entgegen, 
üls am übend des 4. November der Gouverneur von Kiel auf Geheiß von Berlin
	        
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