Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hugo v. lvaldeger-hartz 
behauptet, die Aufruhrbewegung vom Sommer 1917 hätte eine selbstbewußte Re¬ 
gierung auf den weg der Kraft zurückführen müssen. Man hat die Schicksalsmahnung 
aber nicht verstanden. Damals ist die stolze Skagerrakflagge — nicht durch Schuld der 
Frontmarine — zum erstenmal vor der roten Flagge des Umsturzes zurückgewichen! 
Und nun zum letzten Akt der Zermürbung, zum 
Zusammenbruch der Flotte! 
Auf Drängen der vereinigten Staaten von Amerika war am 20. Oktober 1918 der 
U-Loot-Rrieg eingestellt worden. Damit stand die gesamte U-Boot-Waffe, weit über 
hundert Boote, dem Hochseechef zu rein militärischer Verwendung zur Verfügung. 
Die Flottenleitung faßte den Entschluß, den schwer bedrängten rechten Heeresflügel 
bei seinem Rückzüge durch Flandern dadurch zu entlasten, daß ein Vorstoß gegen 
den Englischen Uanal unternommen werden sollte, der nach der Gesamtlage große 
Aussicht aus Erfolg bot und dem düsteren Uriegsbild mit einem Schlage hellere 
Lichter hätte aufsetzen können. Zn Wilhelmshaven, wo bereits seit dem März 1918 
Flugblätter umstürzlerischen Inhalts vorbereitet worden waren, wollte man jedoch 
nicht mehr mitmachen. Man übersah offenbar die Kriegslage zum Vorteil des deut¬ 
schen Volkes von höherer warte aus, als dies die Oberste Seekriegsleitung und der 
Hochseechef vermochten. Zn einer geheimen Versammlung vom 26. Oktober wurde 
die Losung kurzweg ausgegeben: 
„Die Flotte macht vom 5. November ab nicht mehr mit!" 
Einen Tag später, also am 27. Oktober, war es schon so weit, daß man Besatzungs- 
teile eines Kreuzers zwangsweise vor verlassen der Schleusen an Bord bringen 
mußten ein Vorgang, der sich noch auf zwei anderen Kreuzern wiederholte. Der 
Abend des 29. Oktober war für das Auslaufen der Flotte bestimmt. Die U-Boote 
batten bereits sämtlich ihre Lauerstellung eingenommen. Bei ihnen, deren Besatzungen 
tagtäglich mit dem Leben spielten, kannte man nichts von Auflehnung und von 
Friedenswünschen um jeden preis. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist nun am Morgen 
des für das Auslaufen bestimmten Tages die Losung der Revolutionsleitung, mit 
der Auflehnung zu beginnen, mit Verkehrsdampfern an Bord gelangt. Die Losung 
soll gelautet haben: 
„wenn Befehl kommt, Anker lichten und Dampf aufmachen, 
dann alle Schiffe kalt stellen!" 
Der bündigste Beweis dafür, daß es sich um eine vorbereitete Bewegung und nicht 
um eine Augenblicksaufwallung der Mannschaft gehandelt hat, als dieses „Kalt- 
stellen" besorgt wurde, ist nun der, daß an Bord sämtlicher Schiffe, wo es zur Meuterei 
kam, annähernd nach dem gleichen Muster verfahren wurde. Der U-Kreuzer „0 135" 
unter Führung des Kapitänleutnants Spieß, dazu drei Torpedoboote lagen 
bereit, um mit Geschütz und Torpedo über die sich am wildesten gebärdenden Schiffe 
„Thüringen" und „Helgoland" ein Strafgericht zu verhängen, das aller Voraussicht 
nach mit wenig Opfern den unheilvollen militärischen Zusammenbruch der Hochsee¬ 
flotte abgewendet haben würde. Schon das Erscheinen des großen U-Bootes und der 
drei Torpedoboote genügte, um aus den das Gesetz diktierenden Meuterern um ihr 
Leben flehende Memmen zu machen. Kapitänleutnant Spieß hat hierüber berichtet: 
„Aus den vorderen Seitenfenstern der .Thüringen' erhob sich ein lautes Angstgebrüll
	        
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