Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

454 Friedrich Feiger 
Weiß-Rot bedruckt und enthält einen bombastischen, von Größe und Edelmut trie¬ 
fenden Text: 
„Viennese! Imparate a conoscere gli italiani..." (Wiener! lernt die Italiener kennen!) 
Es ist der Fliegergruß Gabriele d'Annunzios an die Wiener. Oer heldische Poet 
warf italienische Streupropaganda ab, der wir weiter folgendes entnehmen: 
„wir fliegen über Wien, wir könnten Bomben und Geschosse abwerfen. Aber wir werfen zu 
euch nur einen Gruß in drei Farben hernieder, in den drei Farben der Freiheit" usw. 
Alles in allem, die Frontpropaganda spielte im italienischen Aufklärungsdienst 
keine bedeutsame Rolle. 
von der russischen Frontpropaganda 
Man kann dasselbe auch von der russischen behaupten, soweit dieselbe die Tätig¬ 
keit des Aufklärungsdienstes im kaiserlich russischen Heere betrifft. Oie abgeworfenen 
Fliegerzettel waren so spezifisch russisch im Ton und Gefühl gehalten, daß sie auf 
Nichtrussen, besonders auf deutsche Soldaten, schlechterdings keinen Eindruck machen 
konnten. Am besten illustriert dies eine charakteristische Partie eines russischen Schützen¬ 
grabenzettels, der an der rumänischen Front abgeworfen wurde: 
„warum, ihr Grausamen, habt ihr so vieles unschuldige Blut aufgeopfert? Ihr faule 
Birokraten u. im Ueberfluß lebende Faulenzer. Ihr sollt uns davon Rede stehen... 
versiegen schon bei euch zu Hause die Tränenquellen eurer Mütterchen, die Brüste 
eurer Frauen sind nicht mehr im Stande die Rinder zu erwärmen, eure geliebten Taübchen (!) 
tragen schon graue haare vor Sehnsucht nach euch. Richt weiter weißzubluten also, ihr 
Kämpfer! Kommt zu uns herüber, da werdet ihr gutes Brod, Ruhe und Freiheit genießen 
usw." 
Das überzeugt nicht, sondern erheitert nur! Oer Russe von damals konnte sich 
nicht in die Psyche des Gegners hineinversetzen, daher blieb sein Werben um dieselbe 
wirkungslos. 
Oie Situation änderte sich aber plötzlich nach dem Sturz der kaiserlichen Regierung 
durch die erste Welle der russischen Revolution, im Mär; 1917, die die Rerenskg- 
Regierung brachte. Eine mit Hilfe des französischen Nachrichtendienstes organisierte 
Propaganda an der russischen Front entfachte nicht nur jäh einen neuerwachten 
Nriegswillen unter den kampfmüde gewordenen Truppen, sondern die deutschen und 
österreichisch-ungarischen Frontstücke wurden zum erstenmal mit wirksamen Flieger- 
zetteln, die viel Energie und Ourchhaltewillen verrieten, bestreut. 
Eine neue Phase der russischen Frontpropaganda setzte dann nach dem bolsche¬ 
wistischen Umsturz im November 1917 ein. Oer Friede von Brest-Litowsk wurde nach 
verschiedenen Verhandlungspausen geschlossen. Immer, wenn damals eine Stockung 
in den Verhandlungen einsetzte, trat an der Ostfront die bolschewistische Flieger¬ 
propaganda in Aktion, man kann an Hand der verschiedenen Fliegerzettel genau die 
politische Situation verfolgen. Es würde aber zu weit führen, hier auf Einzelheiten 
einzugehen. Wichtig ist nur hier festzustellen, daß diese neue bolschewistische Front- 
propaganda ein ganz anderes Gesicht, als man es seither im Frontaufklärungsdienst 
wahrnehmen konnte, zeigt. Ein ganz neuer Ton in der russischen Frontpropaganda 
ist vernehmbar, die Idee der marxistischen Weltrevolution taucht auf, wie eine 
internationale Fata Morgan«. Alle diese Zettel, die von Bolschewiken jüdischer 
Prägung hergestellt waren, wirken ausgesprochen unrussisch durch eiskalte, spitze 
Logik, durch international zersetzenden Geist und marxistisch geschultes Denken. Es
	        
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