Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

430 
August Gallinger 
das sei seine, nicht meine Sache,' ich wurde darauf mit sofortiger schärfster Einsperrung 
bedroht, doch gab er sich schließlich mit dem versprechen zufrieden, daß ich beruhigend 
auf die Leute einwirken wollte. — Wir marschierten nun volle 12 Stunden, nur 
durch kurze Ruhepausen unterbrochen, hielten wir, so sanken alle vor Ermüdung 
wie tote Zliegen mitten in den Straßenstaub, fast unfähig, sich wieder zu erheben, 
denn wir waren seit 30 Stunden auf den Beinen und die meisten von uns hatten 
ebenso lange keinen Bissen über den Mund gebracht. Im Konzentrationslager an¬ 
gelangt, erhielt jeder nach 40stündigem hungern eine halbe Tasse schlechten Rasfee, 
eine ganz dünne Schnitte Brot und ein fingergroßes Stückchen Leberpastete. Bei 
einem weiteren Transport, dem ich unterworfen, erging es uns noch schlimmer. Wir 
waren acht gerade von schwerer Grippe Genesene und wurden zusammen mit be¬ 
trunkenen französischen Soldaten befördert, die uns einen ganzen Nachmittag lang 
fortwährend beschimpften, verhöhnten, mit Zausten und Waffen bedrohten, ohne 
von unserer Begleitung dabei gestört zu werden. Dies alles tritt aber zurück gegen¬ 
über dem, was sich beim drittenmal ereignete. Zusammen mit etwa 600Mannschaften 
ging der Weg quer durch Zrankreich. Zn Viehwagen, ohne ein hälmchen Stroh, 
wurden die Leute so eng zusammengepfercht, daß sie während der ganzen Zahrt 
stehen mutzten, ohne Verpflegung, ohne Licht und Luft tagelang eingesperrt und ihnen 
war nicht einmal zur Verrichtung ihrer leiblichen Bedürfnisse das verlassen des 
Wagens erlaubt. Waren dann die Wagen durch Ausscheidungen der zum Teil darm¬ 
kranken Leute naturgemäß beschmutzt, so wurden die deutschen Männer mit groben 
Schimpfworten belegt. Nur mit größter Hartnäckigkeit erreichte ich nach achtstündiger 
Zahrt zum erstenmal die Erlaubnis für die Leute, austreten zu dürfen. Auf dem 
Bahnhof Orleans wurden wir 8 Offiziere dann 24 Stunden in ein schmutziges Gelaß 
gesperrt, in welchem als einzige Sitzgelegenheit eine schmale Bank war, worauf zur 
Not drei sitzen konnten. Verpflegung, selbst gegen Bezahlung, wurde uns verweigert 
und erst auf energisches Dringen zu Wucherpreisen verabfolgt. Daran waren die 
französischen Soldaten, unter welchen sich viele gerne gutmütiger gezeigt hätten, viel 
weniger schuld, als ihre vorgesetzten, die, wie aus folgendem Befehl erhellt, ihr 
Dienst zur Härte verpflichtete: 
„Tagesbefehl 
Es ist jeden Tag festgestellt worden, daß die nach rückwärts geführten Gefangenen mit 
einer törichten Milde und Aufmerksamkeit behandelt worden sind. Eine derartige Behandlung 
kann nur die Frechheit unserer Feinde erhöhen. 
Es wird hiermit offiziell verboten: 
ven Gefangenen Nahrungsmittel, Getränke irgendwelcher Art (Wasser inbegriffen!), 
Kleidungsstücke, Schuhwerk, Decken oder Stroh vor ihrer Ankunft im G. G. der Gruppierung 
zu verabfolgen. 
Die vorgesetzten der Begleitmannschaften sind persönlich verantwortlich für die Be¬ 
folgung dieser Vorschriften." 
Das auf diesen „Reisen" übliche Johlen, die Rot- und Steinwürfe des rasenden 
Pöbels, oder das Ausspeien der „Gebildeten", die uns wie ungezogene Rinder 
krächzend die Zunge heraussteckten, betrachteten wir bald als unvermeidliche Be¬ 
gleiterscheinung, über die wir verächtlich hinweggingen. 
Daß ich von keinem Ausnahmefall, ja von einem verhältnismäßig harmlosen be¬ 
richtete, soll eine kurze Auslese aus meinem Material belegen. 
.. Während der Fahrt wurden wir in den Eisenbahnwagen von Zivil mit großen 
Steinen beworfen... Wenn wir zur Arbeit marschierten, wurden wir von Zivil angespien.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.