Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Ein anderes Beispiel: Im Jahre 1915 hatten wir zwar Zucker im Überfluß, aber 
dafür weniger Hafer. Oie Folge davon war, daß Soldaten mit diesem Zucker die 
Pferde fütterten, anstatt diesen Zucker aus Lager zu nehmen. Zeder Mensch weiß, 
daß gerade dieses Nahrungsmittel in konzentrierter Form die kräftigsten Nährstoffe 
enthält. Außerdem ist es ein Produkt, das sich lange aufbewahren läßt. 
Höchstpreise — Fütterungsverbot — Getreidemonopol 
Als, wie ursprünglich gedacht, der Rrieg zu Weihnachten 1914 nicht beendet war, 
überlegte man sich schon allmählich, was nun auf dem Gebiete der Ernährungs¬ 
wirtschaft auf längere Sicht zu tun sei, denn mit kurzen Maßnahmen war nicht mehr 
geholfen. Am 12. Januar 1915 erfolgte deshalb die Beschlagnahme der ganzen Ge¬ 
treidebestände, nachdem am 25. Oktober 1914 bereits Höchstpreise für Brotgetreide 
und ein Fütterungsverbot für dieses Getreide eingeführt worden war. Im November 
1914 war bereits eine private Nriegsgetreide-G. m. b. h. gegründet, aus der sich dann 
die amtliche Reichsgetreidestelle entwickelte, die nunmehr die ganzen Maßnahmen 
auf dem Gebiet der Getreidebewirtschaftung durchzuführen hatte. Man schuf damit 
ein Getreidemonopol und glaubte, es sei alles in Ordnung, wenn auch Höchstpreise 
offiziell ein Wuchern mit dem Brotkorn des Volkes verhindern sollten, so ist man doch 
auf halbem Wege stehengeblieben, denn für Fleisch hatte man zuerst keine Höchst¬ 
preise festgesetzt. Die Folge war, daß ein Teil der Bauern das Getreide verfütterte, 
weil bei geringem Angebot und starker Nachftage die Fleischpreise stiegen. Der Lauer 
konnte also das Getreide über den Viehmagen teurer verkaufen, als wenn er es 
direkt lieferte. Zwar sollte das Getreideverfütterungsverbot diesen Mißstand be¬ 
seitigen. Wir wissen aber, daß derartige Maßnahmen nur einen halben Zweck erfüllen, 
denn man kann nicht in jeden Ruhstall einen Polizisten stellen, der die Fütterung 
beaufsichtigt. So viel Polizisten gäbe es nicht und außerdem würden auch hier von 
Leuten, die betrügen wollen, Mittel und Wege zum Betrug immer gefunden werden. 
Der berühmt gewordene „Schweinemord" 
Es gab damals eine Gruppe von Hochschulprofessoren und anderen Theoretikern, 
die auf dem Standpunkt standen, daß das Vieh in Deutschland überhaupt zu viel 
Futter fräße und ein großer Teil dieser Futtermengen auch durch den Menschen 
direkt als Nahrungsmittel verwertet werden könnte. Sie gaben an, daß die Vieh¬ 
haltung zur Erzeugung von Fleisch und Futter (Milch, Butter und Käse) 5 Nährwerte 
verbrauche, um einen für die menschliche Ernährung hervorzubringen. Diese Ge¬ 
lehrten standen nicht nur auf dem Standpunkt, daß die Viehbestände — Rind und 
Schwein — vermindert werden müßten, sondern es gab sogar welche, die für die 
restlose Beseitigung aller Schweine eintraten. Diesem Umstand war es zu verdanken, 
daß im Jahre 1915 der berühmte Schweinemord durchgeführt wurde. Wir hatten 
bekanntlich kurz vor Ausbruch des Krieges einen Schweinebestand von 25,3 Millionen 
Tieren, während der Normalbestand in den Jahren vorher jeweils rund 20 Millionen 
betrug. Es ist also richtig, daß wir gegenüber ftüheren Jahren rund 5 Millionen 
Futterfresser zu viel hatten. Der Nachteil dieses hohen Schweinebestandes lag aber 
darin, daß allein ein Fünftel, also 20% aller Schweine, von ausländischem Kraft- 
futter lebten, vie Futterlieferanten stellten, soweit sie auf Feindesseite standen, mit 
Ausbruch des Krieges diese Lieferungen sofort ein. weiterhin ist richtig, daß das
	        
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