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Getreide schaffen wollte. In Rotterdam (Holland) lagen diese Getreidemengen, die
gekauft werden sollten. Oazu war aber ein Kredit von 5 Millionen Mark nötig, den
der Reichsschatzsekretär geben sollte. Seine Antwort aber lautete lakonisch:
„Diesem Wunsche zu entsprechen, bin ich nicht in der Lage, wir werden keinen Krieg be¬
kommen und wenn ich Ihnen jetzt die Summe von 5 Millionen bewillige, werden wir das
Getreide mit Verlust für die Reichskasse verkaufen. Außerdem würde es mir die an sich schon
schwierige Aufstellung des Etats von 1915 noch erschweren."
So war die Lage wenige Tage vor Ausbruch des Krieges. Man brauchte sich
also nicht zu wundern, wenn die kommenden vier Jahre in der ganzen Kriegsernäh-
rungswirtschaft ein einziges Fiasko waren. 750000 deutsche Volksgenossen — unschul¬
dige Mütter, Rinder, alte und gebrechliche Männer und Frauen — sind in den Kriegs-
jahren 1914—18 und in den beiden anschließenden „Friedensjahren" den Hungertod
gestorben. Gewiß hat die Feindbundblockade sehr stark mit dazu beigetragen. Der
Grundfehler aber, daß sich diese Blockade auswirken konnte, war die falsche Er¬
nährungspolitik der maßgebenden Staatsmänner Deutschlands vor dem Kriege. Man
kaufte die Lebensmittel dort, wo sie am billigsten waren, wo sie mit Kulilöhnen
afrikanischer und asiatischer Arbeiter erzeugt wurden. Daß der deutsche Landarbeiter
und Bauer aber dafür nicht arbeiten konnte, sah die damalige Art von Politikern
nicht ein.
Unsere Lebensmittelversorgung vor dem Kriege in Zahlen
Wie war denn die Versorgungslage des deutschen Volkes vor dem Kriege in
Wirklichkeit? Sicher hatten wir in Deutschland eine starke Steigerung der Getreide¬
erträge in den letzten 20 Jahren erreicht, während die deutsche Bevölkerung in dieser
Zeit um 31,4% wuchs, steigerte sich die Ernte bei Brotgetreide um 34,5%, bei Gerste
um 55,6%, bei Kartoffeln um 32,8% und bei Hafer sogar um 132,2%. Die Fleisch¬
erzeugung wurde um 77,3% vermehrt, und die Molkereierzeugnisse wie Lutter,
Milch und Käse um 43,4%. Wir mutzten zwar vor dem Kriege zur Deckung unseres
Brotgetreide- und Fleischbedarfs 5—6% der fehlenden Mengen noch aus dem Aus¬
lande einführen. Bei einiger Einschränkung, die für das gesamte Volk bedeutungslos
gewesen wäre, hätte man also auch hier auskommen können. Wenn man noch be¬
rücksichtigt, daß auf den Kopf der Bevölkerung in Deutschland nur eine jährliche
Nahrungsmitteleinfuhr von 25,2 Mark, in England aber eine solche von 110,5 Mark
traf, so kann man kaum glauben, daß bei uns der Hunger Einzug halten mußte,
während England trotz unserer U-Boot-Llockade ohne allzu große Lebensmittel-
einbutze durch den Krieg kam. Dabei erzeugte England nur 20% seines Brotgetreide¬
bedarfs und 52% seines Fleischbedarfs im eigenen Land. Oie Differenz mußte ein¬
geführt werden. Auf der anderen Seite erzeugte Deutschland ein Drittel der gesamten
Weltkartoffelernte. Es trafen nämlich im Jahre 1913 gut 16 Zentner Kartoffeln auf
den Kopf jedes deutschen Volksgenossen, während der Engländer zur gleichen Zeit
nur gut 3 Zentner Kartoffeln erzeugte. Beim Brotkorn trafen auf jeden Deutschen
rund 4% Zentner, während der Engländer nur 68 Pfund erntete. Worin liegt nun
die Ursache unseres Versagens?
Vas Fleisch im Inland, die Futtermittel im Ausland
Der Laie wird hier keine Fehlerquelle finden. Man darf aber nicht vergessen,
daß die Erzeugung von Fleisch nur über lebende Tiere geht. Diese lebenden Tiere