Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Der arme Krieg 
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Das einzige, was auch nicht entfernt der höhe der uns zugemuteten Aufgabe 
entsprach, das war unsere Ausrüstung. Die Gewehre waren so ausgeschossen, daß 
kaum in einem noch die Züge erkennbar waren. Es kam zwar der Befehl, daß an 
einem gewissen Tag an einer gewissen Stelle pro Rompanie 1000 Tankpatronen, 
also solche mit massiven Stahlgeschossen, zu empfangen wären. Wir haben sie nie 
zu sehen bekommen und sind ohne ein einziges Stück Tankmunition zur Offensive 
angetreten. Röcke, Hosen, Mäntel waren mit Zücken bedeckt, die Schuhe geriestert, 
das Lederzeug morsch, die Pferde abgetrieben und kümmerlich ernährt. 
Drei oder vier Tage vor dem Ausrücken erschien in meinem Ouartier der Leutnant 
Roch, der Führer der meinem Bataillon zugeteilten Minenwerfer-Abteilung des Re¬ 
giments. Gb es denn nicht möglich sei, daß er für die Bespannung seiner Werfer 
eine einigermaßen brauchbare Lederausrüstung bekäme? Die vorhandene bestehe 
nur aus Fetzen, und er könne die Verantwortung nicht übernehmen, mit diesem 
Lumpenkram seine Ranönchen überhaupt vorwärts zu bekommen. 
Ich meldete das dem Regimentskommandeur, und dieser befahl, ich solle ihm 
am folgenden Morgen die Minenwerfer-Abteilung vorstellen. Das geschah. Auf einem 
windüberbrausten Schneefeld der Champagne harrte die Abteilung, tadellos aus¬ 
gerichtet, in vortrefflicher Haltung ihres Regimentskommandeurs. 
Der Oberstleutnant: „Ra, das sieht ja recht ordentlich aus. Ist es wirklich so 
schlimm?" 
Ich: „Gestatten, Herr Oberstleutnant, daß ich antraben lasse?" Zustimmung. 
„Leutnant Roch, traben Sie an!" 
Leutnant Roch: „Abteilung — Trab!" 
Nach ein paar Trabschritten machte es krach, krach — der erste Minenwerfer 
blieb stehen. Zwei Dutzend Meter weiter der zweite, bald der dritte, der vierte... 
Das Lederzeug hing in jämmerlichen Trümmern zu Boden. 
Der Regimentskommandeur: „Za — ich kann Ihnen nicht helfen, ich hab' selber 
nichts. Sehen Sie, wie Sie durchkommen..." 
Einige Tage später wurde ich schwerverwundet aus einer Tragbahre in ein Gehöft 
des Dorfes Eroix Moligneaux hineingebracht. Der Hof war mit Hunderten von 
Bahren bereits bis auf den letzten Zentimeter besetzt, aber immer schleppten die 
englischen Rriegsgefangenen noch neue deutsche verwundete heran. Nie werde ich 
den grauenvollen Gegensatz in der äußeren Erscheinung der siegreichen Angreifer 
und der besiegten Gefangenen vergessen. Die Engländer von Rops bis zu Füßen 
funkelnagelneu ausgerüstet, rundherum satt, pausbäckig, gesundheitstrahlend. Die 
Unseren abgerissen wie eine Zigeunerhorde, ausgemergelt, hohlwangig, mit müden, 
abgehetzten Gesichtern, nervös, abgetrieben ... 
So haben wir uns vier Zähre lang gegen die Mannheit der ganzen Welt ge¬ 
schlagen, während unsern Feinden die Hilfsmittel der reichsten Länder der Erde in 
unbegrenzten Massen zur Verfügung standen. 
25 lveltkriegsbuch
	        
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