Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Toni Kellen 
in Berlin, oder an die von ihm bestimmten Stellen abgeliefert werden. Um die 
Sammeltätigkeit anzuregen, sollte ein ziemlich hoher preis für die Bucheckern ge¬ 
zahlt werden und die Sammler sollten bis zu einem viertel der gesammelten Mengen, 
jedoch nicht mehr als 25 kg, zur eigenen Glgewinnung behalten dürfen. Ferner 
durften die Landeszentralbehörden verlangen, daß auf je 100 kg aus ihren Gebieten 
gesammelte Bucheckern bis zu 4 kg Gl oder bis zu 20 kg Ölkuchen oder Glmehl an 
sie geliefert wurden. Diese Mengen sollten bei den allgemeinen Zuweisungen von 
Glen, Zetten oder Zuttermitteln nicht angerechnet werden. 
Unter den im Ausland verbreiteten Schauermären wurde auch die Zabel ge¬ 
glaubt, in Deutschland würde aus den Menschenleichen Zett gewonnen. Vas war 
natürlich eine böswillige Erfindung, aber aus Abwasserschlamm wurde Zett für 
industrielle Zwecke herausgezogen. Oie Wiedergewinnung der Zette wurde vom 
Rriegsausschuß in der weise betrieben, daß er mehr als 4000 sogenannte Zett¬ 
abscheider allerorts in Deutschland und in den besetzten Gebieten in den großen 
Rüchen, Schlächtereien usw. aufstellte und die dort gewonnenen Zette verwertete. 
Zn den besetzten Gebieten waren an mehreren Stellen Zettschmelzen, denen die 
Zette der Rorpsschlächtereien geliefert wurden und die dort geschmolzen und der 
Heimat zugeführt wurden. Die bestorganisierte Schmelze im westen hatte eine durch¬ 
schnittliche Lieferung von 5000 kg je Tag aufzuweisen, die vorher glatt verloren¬ 
gingen. Ebenso wurde die Rnochenverwertung in der Etappe betrieben. 
Daß auch har; gesammelt wurde, erklärt sich aus den Einfuhrschwierigkeiten und 
der Abnahme der erbeuteten Bestände. Diese Knappheit machte sich besonders in 
der Papier-, Lack-, Farben- und Seifenindustrie bemerkbar. Deshalb wurde die Ab¬ 
harzung der Kiefernwälder im Inland und in den besetzten Gebieten in Angriff 
genommen. Dem Kriegsausschutz für pflanzliche und tierische Gle und Zette wurde 
1916 die alleinige Befugnis zur Verarbeitung von Rohhar; jeder Art übertragen. 
Oie Ergebnisse der Harznützung blieben aber infolge kalten Zrühjahrswetters und 
Mangels an Arbeitskräften im Sommer weit hinter den Erwartungen zurück. Immer¬ 
hin löste die zur Verarbeitung des Rohharzes herangezogene Industrie ihre Aufgabe. 
Deutschland erhielt dadurch sogar die modernste und größte Verarbeitungsanlage 
für Kiefernharz, und gleichzeitig wurde auch ein Verfahren zur Verarbeitung von 
Zichtenhar; bis zu einem hohen Grade der Vollkommenheit entwickelt. 
Seitdem keine Baumwolle mehr nach Deutschland hereinkam, fing das Suchen 
nach Ersatzpflanzen an, aus deren Bast spinnbare Zasern zu gewinnen wären. Man 
fand den Ersatz in der Nessel, die auf den Wegrändern und dem Unland wächst 
und Spinnfasern enthält. 
Mag es auch ein philologenscher; sein, daß das Nessushemd ein Nesselhemd ge¬ 
wesen sei, Tatsache ist, daß die Nessel in früheren Zeiten einen sehr wertvollen Web¬ 
stoff geliefert hat. Erst die Baumwolle hat sie verdrängt, und manches Erzeugnis 
führte noch den Namen Nesjelstoff, nachdem man es längst aus Baumwolle her¬ 
gestellt hat. 
In der Zeit des Ersatzes kam also die Nessel wieder zu Ehren. Im Jahre 1913 
bezog Deutschland aus dem Auslande 932000 Tonnen Zaserstoff, darunter 486000 
Tonnen Baumwolle. Deutschland erzeugte im gleichen Jahre 15300 Tonnen Zaser¬ 
stoffe (darunter 11600 Tonnen wolle), also etwa nur 1,5% des Bedarfs. Als nun 
die Zrage, wie sollen wir uns kleiden? immer dringlicher wurde, spähte man eifrig
	        
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