Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Toni Kelten 
Erwähnt sei aber auch noch das Ährenlesen auf den Feldern. Wo nur ein 
Äcker abgeerntet war, ergossen sich Scharen von Ährenlesern darauf, namentlich 
Frauen und Kinder, nicht bloß aus dem gewöhnlichen Volke, sondern auch aus höheren 
Ständen. Dieses Ährenlesen erwies sich gerade in der Zeit der Brotknappheit als 
sehr einträglich, denn es gab Leute, die es auf mehrere Zentner Körner brachten. 
vie Fütterung der Tiere 
Die Sorge um die menschliche Ernährung entsprang hauptsächlich der Tatsache, 
daß die Futtermittel für die Haustiere unzureichend waren. Zn Friedenszeiten bezog 
Deutschland große Mengen Futter aus dem Ausland. Äußer den eiweißreichen 
Älkuchen, die in der Hauptsache aus ausländischen Früchten wie Baumwollsamen, 
Erdnüssen, Kokosnüssen und Palmkernen gewonnen wurden, war es besonders die 
russische Futtergerste, auf die sich ein bedeutender Teil der deutschen Schweinezucht 
und Schweinemast gründete. Anfangs glaubte man wohl, daß durch das Abschneiden 
der Zufuhren aus dem Ausland die deutsche Viehzucht in ihrer Grundlage erschüttert 
würde. Allein je länger der Krieg dauerte, um so mehr lernten die deutschen Land¬ 
wirte sich in die neuen Verhältnisse schicken. 
Zm Anfang des Krieges verfügte man noch über so viel Zucker, daß zuckerhaltige 
Futtermittel, wie Rohzucker, Melasse, getrocknete Schnitzel, Melasseschnitzel und 
Zuckerschnitzel als Ersatz verwendet werden konnten. Da aber das Jahr 1915 sehr 
trocken war, fehlte es bald vielfach an Futter. Deshalb mußte Stroh dazu heran¬ 
gezogen und als Ersatz für dieses Streu aus dem Walde gesammelt werden. 
In den von der Zentral-Einkaufsgesellschaft m. b. h. herausgegebenen Flug¬ 
schriften zur Volksernährung wurden auch die Kriegsfuttermittel behandelt und die 
Landwirte auf eine Menge Stoffe hingewiesen, die in gewöhnlichen Zeiten so gut 
wie gar nicht verfüttert wurden, die aber zum Teil einen hohen Futterwert besitzen. 
Auch wurde der Anbau gewisser pflanzen empfohlen, die zur Vergrößerung der 
Futtermenge herangezogen zu werden verdienten. 
Als Grün- und Rauhfutter wurden gesammelt: 
Eomfreg, auch Beinwell, Leinwurz oder Schwarzwurz genannt, eine auf 
Wiesen und Feldrändern häufig vorkommende, rauh behaarte Pflanze, die jährlich 
5—6mal geschnitten werden kann, von 1 ha Eomfreg wurden 1713 Doppelzentner 
Grünfutter, entsprechend 226 Doppelzentner Heu, geerntet, von 1/i ha konnte man 
etwa 100 Schweine den ganzen Sommer hindurch mit Grünfutter versehen. 
von der Topinambur wurden das grüne Laub und später die Knollen verfüttert. 
Von den Sumpf- und Wasserpflanzen konnte eine ganze Reihe mit Nutzen 
verfüttert werden. In Betracht kamen: das Rohrglanzgras, das Rohr, das Süßgras, 
die Wasserpest, die Wasserlinsen usw. 
von den vielen Knötericharten wurde besonders der ampferblättrige Knöterich 
gesammelt, der aus allen Äckern und Gräben als Unkraut vorkommt. 
Oie großen Blätter des Bärenklaus wurden als Beifutter gehackt den Hühnern 
gegeben. Brennesseln wurden in jugendlichem Zustande als Beifutter für Nutztiere 
verwendet. 
Sogar die aus dem Äcker ausgeeggten chueckenwurzeln konnten in eingesäuer¬ 
tem Zustande verfüttert werden.
	        
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