Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Heinrich Hunte 
Kräfte der Wirtschaft, die das Jahrhundert des Gelddenkens und des Welthandels 
immer mehr zurückgestellt und endlich ganz übersehen hatte, obwohl sie natürlich 
ihre Bedeutung praktisch nie ganz verloren hatten, ihre entscheidende Position zurück. 
Oie Weltwirtschaft räumte ihre Stellung der Volkswirtschaft, das 
Geld der Arbeit. Volk und Raum erwiesen sich wieder als die entschei¬ 
denden Faktoren auch des wirtschaftlichen Lebens. Jener deutsche Mann 
hatte recht gehabt, der auf die Bemerkung des Herrn v. Gwinner, daß ein Krieg nur 
wenige Monate dauern könne, weil das Geld nicht länger reiche, dem Kaiser erklärt 
hatte, daß der Krieg so lange durchgehalten werden könne, ais Rohstoffe, Nahrungs¬ 
mittel und Arbeitskräfte zur Verfügung stünden. 
Am Anfang des Krieges schien es zwar so, als ob die Wirtschaft große pause habe. 
Eine umfangreiche Arbeitslosigkeit schien den Verfechtern der Lehre von der privat- 
und Friedenswirtschaft recht zu geben. Aber bald triumphierte doch die Anschauung, 
die in der Arbeitskraft eines Volkes seinen größten wirtschaftlichen Reichtum er¬ 
blickt, und deutsche Arbeitsfreude, ernstes Forschen, technisches Denken und wissen¬ 
schaftliche Weitsicht erwiesen sich allgemein dem oielgerühmten Motor der eigen- 
gesetzlichen Wirtschaft, der vom materiellen Erwerbsstreben angestachelten Privat¬ 
wirtschaft, haushoch überlegen. Was die Rot erzwang, gestaltete die Arbeit, von der 
entsagungsvollen Tätigkeit der Bäuerin an, die selbst hinter dem Pflug ging, und 
all den anderen Frauen, die aus irgendeinem Kontor oder an der Maschine ihre 
Pflicht erfüllten, bis zur unermüdlichen Arbeit der deutschen Forscher in den Labo¬ 
ratorien der Hochschulen, der Kaiser-Wilhelm-Jnstitute und der industriellen Werke, 
erwies sich die Arbeit als die große Kraft, die die Wirtschaft treibt und gestaltet. 
Was die deutsche Wissenschaft dem deutschen Volk im allgemeinen und der Krieg¬ 
führung im besonderen an technischen und wirtschaftlichen Errungenschaften zum 
Aus- und vurchhalten zur Verfügung gestellt hat, ist leider auch heute noch viel zu 
unbekannt. Luft und Erde haben die Ersatzstoffe geliefert, die sonst aus dem Aus¬ 
lande eingeführt werden mußten. Wenn man gesagt hat, der technische und chemische 
Professor hätten den Einkreisungsring durch 50 Monate seiner vernichtenden Wir¬ 
kung beraubt, dann ist das richtig. Darüber hinaus haben sie aber die Grundlage zu 
Industrien und Werken gelegt, die weit über den Krieg hinaus ihre unvergeßliche 
Bedeutung behalten haben und auch in Zukunft aus der deutschen Wirtschaft gar 
nicht mehr hinweggedacht werden können. 
ver Fundamentalsatz der neuen Wirtschaft, daß die Beschaffung von Nahrung 
und Rohstoffen die einzige Sorge der Volkswirtschaft, alles andere aber eine Frage 
der Organisation ist, hat sich in vollem Umfange in der Kriegswirtschaft als richtig 
erwiesen. Vas Schicksal hat damals selbst den Geldschleier von dem wirtschaftlichen 
Leben gezogen und uns zu den wahren Ouellen der Wirtschaftsmacht zurückgeführt. 
Es hat uns gezeigt, daß ein Volk immer so reich sein wird, als es Arbeit zu organi¬ 
sieren vermag und so stark ist, wie seine wirtschaftlichen Hilfsquellen im Bereich 
seiner eigenen Waffen sind. Nur die Halbheit in allem und vor allem die Rückwand¬ 
lung zu den wirtschaftlichen Gepflogenheiten und Gesetzmäßigkeiten der Vorkriegs¬ 
zeit hat das Unheil in Lauf gesetzt und schließlich auch den wirtschaftlichen Zusammen¬ 
bruch mit sich geführt. 
Was Einsicht, Wille und Arbeit in Verwaltung und Wirtschaft vermögen, dafür 
gibt es ein besonders glänzendes Beispiel: Gber-tvst. Tannenberg war geschlagen,
	        
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