Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Heinrich hunke 
Verhältnis zu seinen Rilometerzahlen als Preußen. Line bagrische Lokomotive 
brauchte andere Ersatzteile als eine preußische, viel hätte sich erreichen lassen auch 
ohne eine Änderung der Reichsverfassung." 
Große Hemmungen lagen auch in der Tatsache begründet, daß aus dem Gebiet 
des Beschaffungswesens die Rriegsministerien der Bundesstaaten zuständig waren. 
Oer Wunsch nach Schaffung eines Reichskriegsministeriums war vorhanden, auch in 
den Bundesstaaten, aber die berechtigten Wünsche vermochten sich nicht durchzusetzen. 
Und schließlich hat auch der bundesstaatliche Charakter seine unheilvollen Äus- 
wirkungen auf die finanzielle Kriegführung gehabt. Oie verantwortlichen Männer 
wie helfferich und Graf Roedern haben wiederholt darauf hingewiesen, daß gerade 
der bundesstaatliche Charakter des Reiches das unzureichende Steuersystem und die 
einseitige Änleihewirtschaft verschuldet haben. 
Zu den bundesstaatlichen Hemmungen kamen die parlamentarischen. Ein eigen¬ 
artiges Gefühl beschleicht den Leser der Reichstagsprotokolle, wenn er sieht, wie 
groß die parlamentarischen Hindernisse gewesen sind, die sich einer wirklichen wirt¬ 
schaftspolitischen Führung entgegenstellten. „Zur Überorganisation tritt die Über¬ 
parlamentarisierung. Richt nur das Kriegsernährungsamt, sondern jede Reichsstelle, 
provinzialstelle und jede Kriegsgesellschaft hatte einen kollegialen Vorstand, einen 
oder mehrere kollegiale Beiräte, die auch dann, wenn sie nur begutachtende Befug¬ 
nisse hatten, den Geschäftsgang hemmten und belasteten. Oer Reichstag mit seinen 
drei Äusschüssen, Einzellandtag und Kommunalvertretungen redeten in die Ver¬ 
waltung hinein. Oas lag im Zug der Zeit. Oem Bedürfnis der Parlamentarier und 
Berufsvertreter, mitzureden, kam dasjenige der Regierungsstellen entgegen, nicht 
nur sich sachlich zu unterrichten, sondern auch die Verantwortung zu teilen." 
Es fehlte der überragende Politiker, der Staat und Wirtschaft mit 
eiserner Kaust dem Volk und seiner Zukunft dienstbar gemacht hätte. 
So konnte trotz der gewaltigen wirtschaftlichen Leistungen, die im einzelnen nicht 
hoch genug eingeschätzt werden können, vor allem, wenn man bedenkt, unter welchen 
widrigen Umständen sie zustande gekommen sind, ohne gestaltende Ideen und ohne 
eiserne Führung, es gar nicht anders sein, als daß die Leistung auf die Dauer eben 
doch nicht ausreichte und überdies langsam von Zersetzungserscheinungen überschattet 
wurde, die ihre Ursachen hatten in der zunehmenden Einschaltung des ungerecht¬ 
fertigten materiellen Erwerbsstrebens. Wenn schon die Wirtschaft zu Anfang des 
Krieges den Kriegsgesellschaften nicht den Geist des Gemeinnutzes und der Aktivität 
einzuhauchen vermochte, wenn die Politik bei der Gründung des Kriegsamtes und 
des Kriegsernährungsamtes versagte, dann mußte aber die Ausschaltung aller außer¬ 
wirtschaftlichen Bindungen vom herbst 1916 an die schwersten Erschütterungen des 
sozialen Gefüges mit sich bringen. So führt dann auch von der Mißgeburt des Hilfs¬ 
dienstgesetzes an bis in den Hexenkessel des Jahres 1923 eine einzige gerade Linie. 
Ludendorffs Mahnung wurde nicht begriffen: „Ein Höchstmaß an Leistungen 
kann nur erreicht werden, wenn das gesamte Volk sich in den Oienst der Sache stellt. 
Alle anderen Rücksichten müssen dagegen zurücktreten,- sie können in einem Kampf 
um Sein oder Nichtsein des Staates, der die Unabhängigkeit, die Wohlfahrt und 
Zukunft unseres Volkes entscheiden wird, keine Rolle spielen. Nach einem siegreichen 
Kriege wird die heimische Wirtschaft in neuer Blüte erstehen, gleichgültig, ob wir 
uns jetzt von ihr lossagen oder nicht. Nach einem verlorenen Feldzug wird uns aber
	        
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