Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

352 Max Schwarte 
lischen und moralischen — Faktoren unbeachtet läßt, die bei dem Endergebnis ent¬ 
scheidend mitwirkten. 
Vas ungeheure Rüstungsringen zu einem für England siegreichen Wettkampf umzu¬ 
deuten, wie es der Engländer gern möchte, ist nach diesen Ausführungen abzulehnen. 
Oie Leistungen der vereinigten Staaten 
Oer dritte große Mitspieler auf Ententeseite waren die Vereinigten 
Staaten. Ihr letztentscheidendes Eingreifen durch ihre Menschenmassen ist schon er¬ 
wähnt; ihr erstes entscheidendes Eingreifen ging aber schon lange vorher: Ghne ihre 
Hilfe und Unterstützung im Waffen- und Munitionswesen hätten Frankreich, 
England, Rußland und Italien wegen Erschöpfung den Kampf aufgeben müssen. 
Das war auch, abgesehen von ihrer moralischen Unterstützung, eigentlich die einzige 
Art, wie sie sich am Kriege zu beteiligen wünschten. Ihre gewaltig entwickelte In¬ 
dustrie sollte und wollte arbeiten und verdienen — besonders das letzte wort ganz 
groß geschrieben,' allerdings war innerhalb der großen technischen Werke nur eine 
sehr kleine Zahl, die sich kriegsindustriellen Erzeugnissen widmeten: vier staatliche 
und zwei private; sie hatten, neben der Flotte, für das kleine eigene Berufsheer 
auch völlig ausgereicht und in bescheidenem Maße ins Ausland liefern können. Aber 
in den Fabriken und im Heere waren die technischen Fortschritte der großen Militär¬ 
mächte aufmerksam verfolgt und durch eigene versuche ergänzt worden. Sie standen 
dis zu einem gewissen Grade wohlgerüstet Aufträgen gegenüber,' ob und inwieweit 
vorbereitende Verhandlungen und Abmachungen, speziell mit England, schon im 
Frieden stattgefunden haben, ließ sich bisher nicht nachweisen,' allem Anschein nach 
war es der Fall. Allerdings traten trotzdem, als die Ententemächte sofort bei Kriegs¬ 
ausbruch mit ihren großen Aufträgen kamen, erhebliche Schwierigkeiten auf. Ge¬ 
schütze und Geschosse ähnelten zwar überall einander, wiesen aber doch auch starke 
Unterschiede auf,- besonders hinderlich war, daß Frankreichs ganzes Maßsystem nach 
„mm", das englische und amerikanische nach „incties" zählte. Oa die Umstellung 
oder der Neuaufbau der Fabriken ein Jahr dauern sollte, behielt Frankreich — zu¬ 
nächst wenigstens — die Herstellung der eigentlichen Waffen in eigener Hand, bestellte 
aber, wie schon oben gesagt, das gesamte übrige Kriegsgerät und das Pulver in den 
vereinigten Staaten. Englands Aufträge ließen sich schneller anfangen,' und auch die 
bisher nicht für Kriegszwecke arbeitenden Werke stellten sich nicht nur schnell um, 
sondern entschlossen sich auch mit amerikanischer Energie zu großzügigen Erweite¬ 
rungen. Rennzeichnend hierfür ist, daß, als der Krieg zu Ende ging, anstatt der 
ursprünglichen 6 Werke jetzt fast 8000 Industriewerke Kriegsgerät erzeugten. 
Den aus den verschiedenen Geschützsgstemen entspringenden Schwierigkeiten be¬ 
gegnete man dadurch, daß man sich aus bestimmte Tgpen englischer und amerika¬ 
nischer, später auch französischer Waffen einigte und die analogen anderer Konstruk- 
tion fallen ließ. Was die europäischen Mächte am notwendigsten bedurften, zeigte 
sich in dem großen Übereinkommen, das bei Eintritt der vereinigten Staaten in den 
Krieg von den Mächtevertretern abgeschlossen wurde,' Amerikas Verpflichtungen 
lauteten: l. von den Alliierten durch Schiffszufuhr eine Hungersnot fernhalten,' 
2. für die alliierten Armeen den Materialnachschub, wie er in Herstellung sei, 
weiter durchzuführen; 3. so viel Menschen zu senden, wie es der Schiffsraum 
irgend gestattet; 4. alle Anstrengungen aufzubringen, um für 1919 eine starke
	        
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