Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Waffen und Munition 
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Über 1000 Geschütze und ungeheure Munitionsmengen gingen dabei ver¬ 
loren. Schon vor Mitte April aber konnte Churchill an Stelle der von haig geforderten 
1200 Geschütze 2000 und ausreichenden Munitionsersatz zur Front absenden. — Das 
zweite Hemmnis: Die Derpflegungsverhältnisse der Bevölkerung in Frankreich und 
Italien — obgleich beide nicht unter Blockade — hatten sich so verzweifelt gestaltet, 
daß die Regierung hierfür 1550000 t des durch die deutschen U-Boote schon stark 
verminderten Gesamtschiffsraums bestimmte, von denen der hauptteil bei der Lrz- 
zufuhr und dem Munitionsnachschub eingespart werden sollte. Als Proteste vergeblich 
blieben, unterrichtete Churchill Frankreichs Munitionsminister Loucheur, daß er die 
Frankreich vertragsmäßig zustehende Zufuhr von 400001 verschiedener Stahlprodukte 
streichen müsse, und erzwang durch diese Sperrung eine beträchtliche Herabminderung 
der ihm entzogenen Tonnage. Aber er mutzte doch die dem eigenen Oberkommando 
zugesagten Nachschubzahlen stark herabsetzen. — Das dritte Hemmnis schuf die kata¬ 
strophale Niederlage der Franzosen am Chemin des Dames. Sollte der Krieg nicht 
jetzt zu Cnde sein, so konnten nur die Armeen der Bereinigten Staaten helfen. Der 
Ruf nach Menschen erging dringlichst an den Präsidenten lvilson, der ihm entsprach,' 
da es sich aber um die Überführung von 200000—300000 Menschen monatlich 
handelte, war eine Durchführung der Transporte nur durch äußerste Gewaltmatz¬ 
nahmen möglich,- die Staatsmänner der Entente nahmen das Risiko auf sich. Alle 
Rüstungszufuhr aus Amerika. Spanien usw. hörte ganz, die Nahrungsmittelzufuhr 
zum Teil auf,' die amerikanischen Soldaten brachten nur ihre Bekleidung in den aufs 
äußerste mit Menschen vollgepackten Schiffen mit. Ihre ganze Ausrüstung und ihre 
ganze Ausstattung mit jeglichen Waffen und sonstigen Kampfmitteln erhielten 
sie aus englischen und französischen Beständen, so daß der Nachschub an Be¬ 
waffnung und Munition der eigenen Truppen auf das stärkste eingeschränkt wurde. 
Cs war also ein Gewaltakt, der ungeheure Gefahren in sich schloßt er konnte jedoch 
gewagt werden, weil die deutsche Kampfkraft, in den bisherigen Schlachten ver¬ 
braucht, Wochen der Ruhe und Massen des Ersatzes — auch an Waffen und Muni¬ 
tion — bedurfte. 
Das Problem des Mannschaftsnachschubs war so gewaltig, daß England und 
Frankreich alles, aber auch alles, was die erste, später die 1% Million Amerikaner 
für den Krieg bedurften, für das ganze Jahr 1918 liefern mutzten. Der Gewaltakt 
trug unerwarteten Lohn: Die jungen Amerikaner in englisch-französischer 
Rüstung erzwangen den Kriegsausgang im Spätherbst 1918, während 
Churchill für 1919 alle Vorbereitungen traf für eine gewaltige, ununterbrochene 
dreitzigwöchige englische Offensive unter erdrückendem Materialeinsatz. 
Was die englische Waffenindustrie in ihren (schließlich auf 2500—3000 angewach¬ 
senen) Fabriken erzeugte, war, selbst unter Berücksichtigung der amerikanischen Hilfe, 
außerordentlich: Sie schuf außer fast 4 Millionen Gewehren und 240000 Ma¬ 
schinengewehren 25031 Geschütze und 258400000 Geschosse aller Arten und 
Kaliber, reparierte 9263 und kaufte in Amerika 1396 Geschütze. Und doch ist der Aus¬ 
spruch, „die Arbeiter machten die Munitionsmengen, durch die unsere Heere zum 
öchlutz befähigt waren, die kolossale deutsche Militärmaschine zu vernichten" nur dann 
(und dann auch nur zum Teil) richtig, wenn in dem Begriff „unsere Heere" den 
Amerikanern die entscheidende Stelle gegeben wird. Und er ist auch dann 
nur zum Teil richtig, da er die Waffe der sonstigen — geistigen und physischen, see¬
	        
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