Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Max Schwarte 
aber mutzten die — nicht nahe genug bereitgestellten — schwersten Waffen nun schon 
bei Kriegsbeginn herangeholt werden. Das dauerte Tage, ungeduldig ertragen von 
den Truppen, ungeduldig von der fiebernden Heimat, ungeduldig von der erwar¬ 
tungsvollen Welt. Wan erinnerte sich an Stratzburg, wetz, Paris aus dem Kriege 
1870/71, an Balkanfestungen und Kars, an Port Arthur — und befürchtete als 
Kriegsbeginn eine wochenlange Belagerung, als der Handstreich gescheitert war. 
Vas Wunder der 42-cm-Mörser. Munitionsvergeudung 
Abermals ereignete sich ein Wunderbares. In Ruhe zog man aus der Heimat die 
Geschütze nach, die den Panzer und Beton der starken Forts brechen sollten, und 
brachte sie in Stellung. Mit den aller Welt bekannten schweren Haubitzen und Mörsern 
aber entlud man gleichzeitig in Herbestal eine Kolonne geheimnisvoll drohender, 
hochaufragender, schwerster Lastkraftwagen unbekannter Herkunft und schob sie, in 
Begleitung von starken, in bürgerlichen Arbeitskleidern steckenden Männern langsam 
über die unter ihnen bebenden belgischen Straßen bis auf etwa 9 km an die belgischen 
Forts heran, indes jene zu feuern begannen. 
Die Feuereröffnung gegen die ersten Forts wirkte auf alle wie eine Erlösung aus 
unerträglicher Spannung; niemand war zu halten, alles wollte mitschietzen, um sich 
die schwer ertragene Last von der Seele zu wälzen — selbst die Geschütze, deren 
absolute Wirkungslosigkeit gegen Beton und Panzer offenbar war. Als ich eine ganze 
Zahl von Feldkanonenbatterien gegen ein von ausreichender schwerer Artillerie be¬ 
legtes Fort ein unbeschreibliches Feuer eröffnen sah und den Lrigadekommandeur 
auf die nutzlose Vergeudung wertvollster, uns später bitter nötiger Munition 
hinzuweisen mir erlaubte, erhielt ich die Antwort: „vie Kerle waren nicht zu halten; 
ich mutzte sie schießen lassen, sonst hätten sie's aus eigenen Stücken getan! Und 
Munitionsvergeudung? — Sie wissen ja gar nicht, was für Munitionsmassen wir 
daheim im Vorrat haben!" — Ich wußte es allerdings nicht genau, er aber noch 
viel weniger. 
Mitten in das alle Sinne betäubende, weil allen völlig ungewohnte Massen- 
schießen der verschiedensten Geschütze aber drang aus nördlicher Richtung plötzlich 
ein Abschuß und später ein Seschotzeinschlag von einer Gewalt und wucht, wie man 
ihn bis dahin noch nie vernommen; er wiederholte sich ein paarmal in längeren 
Zeiträumen. — 
was war geschehen? 
Als die Mammut-Kolonne, von allen Soldaten neugierig und der begleitenden 
Arbeiter halberh etwas mißtrauisch angestaunt, eine sorgsam erkundete Stellung er¬ 
reicht hatte und den schweren wagen die Schutzdecken abgenommen waren, griffen 
die Männer mit schwerstem Handwerkszeug energisch und geschickt zu, luden ab, 
setzten ineinander, bauten auf, während eine kleine Anzahl von Geschossen gewaltigster 
Ausmaße herangefahren wurden. Und wenige Stunden später entsandte ein un¬ 
geheures Rohr das erste dieser Geschosse aus ein belgisches Werk, während Erde und 
Luft erzitterten und erbebten, und tosend und brausend wie ein stürmender Lahnzug 
ein Koloß von 800 kg auf den Letonkörper des Forts wuchtete, vie deutsche w affen- 
>) Die hier eingesetzten 42-cm-Mörser waren eben fertig geworden, noch nicht von der Behörde 
abgenommen und wurden von dienstpflichtigen, aber noch nicht eingekleideten Arbeitern von Krupp 
begleitet und bedient. Daher die Arbeitskleidung.
	        
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