Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Waffen und Munition 
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Rathenaus Eingreifen. Zwangsbewirtschaftung der Rohstoffe 
Da geschah folgendes. Kriegsminister war seit kurzem Generalleutnant v. Falken¬ 
hag n als Nachfolger der für die — wie sich bald zeigen sollte, unzureichende — 
Rüstung der Armee bei Kriegsausbruch verantwortlichen Minister v. Einem und 
v. Heeringen. Ihn machte der Direktor der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft 
Berlin, Dr. Rathenau, in einer Aussprache auf die Gefahr eines schnellen Kriegs¬ 
endes durch den sehr bald eintretenden Mangel an unentbehrlichen Rohstoffen für 
alles Kriegsgerät aufmerksam. Rathenau, dessen späteres innen- und außenpolitisches 
Wirken in so krassem unheilvollem Gegensatz zu diesem technischen Rat stehen sollte, 
hatte als eine der führenden Persönlichkeiten der deutschen Industrie einen klareren 
Einblick in die Abhängigkeit des Verbrauchs von Rohstoffen von deren Vorrat, 
Eigengewinnung und Einfuhr, als bis dahin die meisten der verantwortlichen Reichs¬ 
behörden. Aus dieser Erkenntnis heraus glaubte er ihn darauf aufmerksam machen 
zu müssen, daß Deutschland binnen wenigen Monaten den wahrscheinlich siegreich 
geschlagenen Krieg verlieren müsse, wenn nicht sofort eine zwangsmäßige Be¬ 
wirtschaftung aller — äußerst knapper — Rohstoffvorräte und -quellen des Landes 
eintreten würde. 
Jetzt, in der Stunde der Not, fand das kluge Wort des Wirtschaftlers das durch 
die ungeheure Verantwortung geschärfte Verständnis des Soldaten. Er forderte die 
organisatorische Mitarbeit Rathenaus, vie materielle Kriegführung begann. 
Für die Kriegsfreiwilligen fehlen Waffen und Munition 
Aber die im Kriegsministerium einlaufenden Berichte über die eine Million über¬ 
steigenden Männer, die freiwillig an die Kasernentore pochten und um Einstellung 
baten — und nicht eingestellt werden konnten, weil man für sie keinen „plan¬ 
mäßigen" verband vorgesehen hatte —, sie waren Grund zu einer weiteren Ma߬ 
regel Falkenhagns. Nach Abschluß der „planmäßigen" Mobilmachung, vor der Abreise 
ins Feld, ordnete er die Aufstellung von vier neuen Armeekorps aus jenen Frei¬ 
willigen an, die beschleunigt verwendungsbereit zu machen seien. Über die 
Ausbildungsschwierigkeiten bei diesen aus allen Altersklassen und Kreisen stammenden, 
von glühendem Eifer erfüllten Kriegsfreiwilligen ist hier nicht zu sprechen; aber es 
stellte sich auch sofort heraus, daß die im Frieden ersparte „Gerätereserve" nicht ein¬ 
mal genügte, um die neuen Formationen auch nur so weit ausreichend mit Waffen 
und Munition auszurüsten, wie es die befohlene „schnellste Ausbildung" er¬ 
forderte. 
von alledem aber wußte die Truppe, die ins Feld ging, nichts. Sie fühlte sich 
tadellos bekleidet, bewaffnet, ausgerüstet und vertraute, daß die Klugheit der Be¬ 
hörden daheim rechtzeitig und vollzählig für alles Weitere sorgen werde. An den 
Grenzen fielen die ersten Schüsse,' General Emmich stürmte mit einer seiner sechs 
Sturmkolonnen zwischen den Forts hindurch die Stadt Lüttich. Ihm mußte beschleu¬ 
nigt Hilfe gebracht werden durch Einnahme der rings um die Stadt gelegenen Forts, 
die im belgischen Besitz geblieben waren und den teilweise tollkühn gegen sie vor¬ 
prallenden deutschen Truppen schwerste Verluste beigebracht hatten. Oie Schlacht im 
freien Felde, von der allein man ihnen gesagt, war schon jetzt als Trugschluß erwiesen; 
IX. und V i I. Armeekorps mußten sofort gegen eine Festung angesetzt, vor allem 
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