Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Schietztag beim Parisgeschütz 331 
Riesen. Rohrmündung und Verschlußstück werden untersucht, ob keine Ausweitungen 
oder Verengungen vorliegen. 
Alle Meldungen laufen in dem Kommandeurstand zusammen. Staunend ver¬ 
nehmen wir, welche Rolle die Temperaturen für den Parisschuß spielen. Temperatur 
der Rartuschen, der Bodenluft, der Luft in 1000 m höhe, in 2000 m usw. Auch 
Feuchtigkeitsgehalt, Luftgewicht und Windstärken in den verschiedensten Höhenlagen 
werden von den Feldwetterwarten durchgegeben. Weiter müssen Trdkrümmung und 
Erdrotation bedacht werden. Uns schwindelt, wenn wir daran denken, daß das alles 
Gegenstand menschlicher Berechnungen werden muß. 
Lautlos machen sich der Kommandeur und seine Gehilfen darüber her. An der 
wand hängt eine riesige Karte von Paris. Vas ganze Stadtgebiet ist darauf in kleine 
chuadrate aufgeteilt. Überall, wo in dem Häusermeer schon Treffer zu verzeichnen 
sind, stecken Fähnchen. Vas neue Ziel wird hier genau vorausbestimmt. Lin merk¬ 
würdiges Gefühl, jetzt schon zu wissen, daß dort, wo der Finger des Kommandeurs 
hinzeigt, in kurzer Zeit Tod und verderben einschlagen wird aus blauem Himmel herab. 
Man spricht davon, ob auch diesmal der Schuß sitzen wird, hängt doch letzten 
Endes alles von der Güte der Berechnungen ab. Wenn wirklich ein Schuß gut lag, 
dann war es ein Sieg der Formel und des Wetterdienstes. Gewiß, treffen konnte man 
in diesem Häusermeer immer, aber so treffen, wie man es vorher beabsichtigt hatte, 
das war der Triumph der ballistischen Formel. Dft genug ist das Kunststück gelungen. 
Vas Schießen beginnt 
Endlich hat der Kommandeur alle Meldungen zusammen. Vie Seiteneinstellung 
des Geschützes, die Erhöhung des Rohres und vor allem die Pulverladung sind be¬ 
rechnet. ver Telephonist gibt den Befehl des Kommandeurs an die Bedienungs¬ 
mannschaften weiter: Maskierungen ab vom Geschütz! An die Batterien der Um¬ 
gegend sowie die Scheinstellungen wird die Uhrzeit des Kommandostandes weiter¬ 
gegeben. vann gehen alle Uhren gleich. Wenn 10.30 Uhr der Gigant losbrüllt, wird 
fein Brüllen in dem Getöse der Geschütze ringsum untergehen. 
Draußen am Geschütz sieht es jetzt anders aus. Vas vom Waldesgrün verdeckte, 
kauernde Untier aus Stahl hat jetzt Form und ein Antlitz bekommen. Vas Rohr, sich 
endlos hervorreckend aus einem wuchtigen Stahlfutteral, liegt noch faul auf seinem 
Stahllager, vem Kommandeur ist zurückgemeldet: Geschütz klar! 
Run geht es Schlag auf Schlag mit ruhiger Geschäftigkeit. Zn der Munitions¬ 
kammer hören die Leute den Telephonisten brüllen: Granate Nr. XV fertigmachen! 
und dann: Laden! vie Bedienung an dem Geschütz erfährt es durch den Lefehlsträger, 
der immer zwischen Geschütz und Kommandeur hin und her pendelt. 
vom Munitionsraum wird das Geschoß herangetragen. Drei Mann haben schwer 
daran zu schleppen. Am Geschütz übernehmen es die Ansetzerleute. Sie schieben es 
ein und setzen die Pulverladung daran. Überrascht sehen wir, welche gewaltige 
Kartuschladung das Geschütz braucht. Sie ist mehrfach so lang wie das Geschoß selbst, 
ver Verschluß klappt zu. Mit schnellem Griff wird der Abzug gesichert. 
Zn der nächsten Sekunde schon gehen die Richtleute an ihre Arbeit. Oie Kurbel¬ 
räder bringen das Geschütz auf die befohlenen Gradeinstellungen. Oer entscheidende 
Augenblick ist da. Nun endlich erwacht das Riesengeschütz zu seiner ganzen imposanten 
höhe.
	        
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