Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Walter Friedrich 
handelt, aber der Kreis derer, die mit dem Unternehmen zu schaffen hatten, wurde 
immer größer. Es hatte schon Aufhebens gemacht, daß eines Tages Marineartille¬ 
risten in großer Zahl weit drin im Land zu besonderem Kommando auftauchten. 
Dann aber mußte schon Ende 1917 die Stellung für die drei großen Geschütze aus¬ 
gehoben werden. Oas war keine kleine Mühe. Waren doch drei geräumige Erdmulden 
von je 100 m im Tuadrat auszuheben, um diese größte aller Batterien mit allem 
ihrem Troß aufzunehmen. Tag und Nacht arbeiteten daran die Schippkolonnen. 
Keiner wußte, wozu man da so hastig arbeitete. Gerade deswegen wurde wohl auch 
in den (Quartieren viel von dieser sonderbaren Stellung gesprochen. 
So bekamen auch die Franzosen Wind davon, glücklicherweise nur sehr unbe¬ 
stimmt. Aus Gefangenenaussagen und Fliegerbeobachtungen erfuhren sie von diesen 
Arbeiten. Soviel sie auch rätselten, der wahre Zweck der Erdarbeiten blieb ihnen ein 
Geheimnis. 
Es ist ein Zeichen dafür, mit welcher Sorgfalt auch auf gegnerischer Seite gekämpft 
wurde, daß die Franzosen trotzdem artilleristische Bekämpfung dieser fernen Punkte 
vorbereiteten. Sie stellten mehrere weittragende schwere Eisenbahngeschütze am 
Brückenkopf der Aisne östlich von Soissons auf, und haben durch ihr Schießen der Be¬ 
dienung der Parisgeschütze manche schwere Stunde bereitet, besonders als sie dann 
endlich erkannt hatten, daß von hier aus ihre Hauptstadt so wirkungsvoll unter Feuer 
genommen wurde. 
Rätselraten der Feinde 
Als am 23. Mär; bei Hellem Tag mitten im Zentrum der Festung Paris die erste 
Granate platzte, war man völlig überrascht und ratlos. Oie wildesten Gerüchte 
schwirrten umher, panikartig drängte die entsetzte Bevölkerung nach den Bahnhöfen, 
um zu fliehen. Oie erste beruhigende Nachricht an die Pariser sprach davon, daß ein 
vereinzelter Flieger zu glücklichem Abwurf gekommen sei, man habe Vorsorge ge¬ 
troffen, daß das in Zukunft ausgeschlossen sei. Es galt ja vor allem den Glauben zu 
zerstören, daß die Deutschen vor den Toren von Paris stünden. 
Allein der nächste Schuß des Riesengeschützes machte diese bequeme Erklärung 
illusorisch, phantastisches Rätselraten setzte ein. Oen meisten Glauben fand die Märe 
von dem Geschütz auf dem Zeppelin. Ein solches Luftschiff habe wahrscheinlich Luft¬ 
torpedos aus weiterer Entfernung gegen Paris abgeschossen. Es wurde danach 
gefahndet, ob über dem unbesetzten Frankreich in der fraglichen Zeit ein Zeppelin 
gesichtet worden sei. Mit Hartnäckigkeit erhielt sich weiter die Ansicht, daß ein unter¬ 
irdisches Geschütz im Rücken der französischen Linien existieren müsse. Wieder wurden 
alle Drtskommandos mobil gemacht, das geheimnisvolle Geschütz zu suchen. 
Inzwischen hatte sich eine französische Artilleriekommission ans Werk gemacht. 
Oie Einschüsse und Geschotzsplitter wurden studiert. Oas Ergebnis der Untersuchungen 
brachte wohl keine Erklärung, jedoch eine wichtige Feststellung. Unzweifelhaft rührten 
die Geschosse von einem Erdgeschütz schwerster Art her. Oen Deutschen mußte das 
Unmögliche möglich geworden sein, mit einem Geschütz großer Anfangsgeschwindig¬ 
keit im Bogenschuß Paris zu beschießen. Oas spottete wohl aller artilleristischen Er¬ 
fahrung, aber das konnte nicht anders sein. Oie gute alte Regel, daß nur Haubitzen 
und Mörser, Geschütze kleiner Anfangsgeschwindigkeit den Bogenschuß leisten könnten, 
war damit offenbar Lügen gestraft.
	        
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