Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Max Blümner 
„Das geht nicht mit rechten Dingen zu", meinte der Batterieoffizier nach dem 
Zeuerüberfall; man war doch mit aller Vorsicht in der Morgendämmerung ein¬ 
gerückt, hatte alles vermieden, was die Aufmerksamkeit des Gegners erregen konnte; 
feindliche Flieger waren nicht gesehen worden. Woher kannte der gegenüberliegende 
Engländer die ihm bisher verborgene Lage der Feuerstellung? hatte sich ein im 
Rücken unserer Stellung arbeitender feindlicher Späher in unsere Zernsprechleitungen 
eingeschaltet und das mitgehörte Gespräch über die Lage der Feuerstellung den Eng¬ 
ländern durch Brieftaube mitgeteilt? Rein, das hätte wohl längere Zeit beansprucht! 
Erst später fand man im folgenden eine Lösung für dieses Rätsel: 
Oer Zernsprechverkehr war schon im ersten Rriegsjahr ins Ungeheuere gewachsen, 
so daß man sich zur Ersparnis von Leitungsdraht vielfach der Einfachleitungen be¬ 
diente, also für die Rückleitung des Stromes die Leitfähigkeit der Erde ausnutzte. 
Das barg eine große Gefahr in sich. Oer durch die Erde zurückfließende Sprechstrom 
läuft nicht nur geradeaus, sondern auch in großen elliptischen Linien zum Empfänger. 
Steckt der Zeind in dieses, fast 3 Ion breite Stromfeld zwei Erden, die er mit einem 
Zernhörer verbindet, so fängt er den Sprechstrom auch in seiner Leitung auf und 
kann das Gespräch, durch Röhren verstärkt, mithören. — So mag auch der 
Engländer im oben geschilderten Zall die Lage der Zeuerstellung erfahren und sofort 
einer bereitgehaltenen Überwachungsbatterie zur unverzüglichen Bekämpfung mit¬ 
geteilt haben. 
Auf Grund solcher, im Jahre 1915 mehrfach gemachter Erfahrungen verbot man 
Erdleitungen bis zu einer gewissen Entfernung vom Zeinde. Andererseits machte 
man sich diese Erfahrungen für die Überwachung des eigenen Zernsprechverkehrs 
und für das Abhören feindlicher Gespräche zunutze. 
Das Lauschgerät wurde soweit entwickelt, daß man u. U. durch Such erden 
auch von Kabelleitungen Sprechströme abhören konnte. 1916 hat uns das Gerät vor 
Verdun ausgezeichnete Dienste bei der Aufklärung geleistet. 
Später führte man Erdtelegraphenapparate (Eitel) ein, die überhaupt keiner 
Leitung bedurften: bei der Sendestelle leitete man einen Summerstrom in die Erde 
und sing ihn bei der Empfangsstelle durch Abhörgerät auf. Allerdings mußte man 
hierbei Geheimsprache verwenden, da der Gegner mithören konnte. 
Um das Mithören des Fernsprechverkehrs zu verhindern, hatten die Russen von 
1917 ab u. a. sogenannte „Tonschleier" verwendet; sie legten in vorderer Linie, gleich¬ 
laufend zur Front, eine an beiden Endpunkten geerdete Einfachleitung an, die durch 
ein eingeschaltetes Störgerät mit Summerbetrieb (Rumkorffschen Induktor mit nassen 
Elementen) ununterbrochen störte; allerdings auch das eigene Abhören verhinderte. 
Die russische Heeresleitung war vorsichtiger geworden, hatte sie doch (leider durch 
die deutsche Presse!) erfahren, daß alle russischen Zunksprüche, die unvorsichtigerweise 
im Klartext gegeben waren, 1914 von den Deutschen mitgehört worden waren, 
was für das Armee-Dberkommando 8 bei der Schlacht von Tannenberg von außer¬ 
ordentlichem Wert war. 
Gegen das Mitlesen von Zunksprüchen gibt es eben kein Mittel. Was in jenem 
Solle uns nutzte, haben die Engländer zu unserem Schaden 4 Jahre lang gegen uns 
verwandt, von Ende 1914 ab bis zum Kriegsschluß sind alle von der deutschen Marine 
an Schiffe und Landstationen durch Zunkspruch gegebenen Befehle, Mitteilungen 
über Zlottenunternehmungen und das Ein- und Auslaufen der Schiffe und Zeppeline,
	        
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