Me sich der Gaskrieg entwickelte
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1. Oie deutsche Munitionsfertigung brachte am Ende des Krieges über ein viertel
ihrer Geschosse als Gasgeschosse heraus, ohne daß damit die Forderungen der Front
voll erfüllt werden konnten. Oie verhältniszahl der Gasmunition war daher noch im
Steigen. Oie Front hatte vertrauen gefaßt.
2. Fast ein Drittel der Gesamtverluste des amerikanischen Heeres ist durch Gas
verursacht.
3. In einem französischen Geheimbefehl wird die Summe der französischen
Gasverluste für die Zeit vom 11.—20. August 1917, also eine Zeit, in der auf der fran¬
zösischen Front keine besonders große Operation vor sich ging, auf nicht weniger als
14578 Mann angegeben, darunter 424 Tote. Rechnet man diese Zahl um auf die
ganze Westfront, so kommt man auf einen Ausfall von mehr als 3000 Mann täglich
allein durch Gas.
Kein Zweifel kann heute mehr bestehen, warum man im Kriege die Greuellüge
auf den Gaskrieg ausdehnte. Mit Humanität und Völkerrecht hat es jedenfalls nichts
zu tun.
Wenn wir, wie einwandfrei feststeht, unter den Wirkungen des Gaskrieges weit
weniger gelitten haben als unsere Feinde, so liegt dies daran, daß wir technisch und
taktisch in Gasangriff und Gasschutz einen Vorsprung gewannen und wahrten. Vieser
hatte zur Grundlage die hervorragend zielbewußte und zielsichere Arbeit der erst 1915
eingerichteten chemischen Abteilung des preußischen Kriegsministeriums unter ihrem
Leiter Geh. Rat Professor vr. Haber. Durch sie und mit ihr gelang es, Militär und
Zivil, Wissenschaft und Industrie, Heimat und Front, Stäbe und Truppen zu fast ideal
zu nennender Zusammenarbeit zu bringen.
Über Neuerfindungen und neue Möglichkeiten werden phantastische Dinge ver¬
breitet. Andere wieder meinen, die Klaviatur der chemischen Möglichkeiten sei für den
Gaskrieg bisheriger Art abgetastet. Wer wollte wagen, vorauszusagen, wer recht hat?
Sicher ist nur, daß leichtfertig handelt, wer sich nicht vorsieht.