Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

294 Hermann (Seyet 
neue Gasschießvorschrift geregelt. Oer artilleristische Gaskampf erreichte damit seinen 
Höhepunkt. 
Grünkreuz war für den nicht geschützten Gegner am gefährlichsten. Seine Ein¬ 
wirkung führte zu schweren Erkrankungen der Lunge und im vergleich zu den anderen 
deutschen Gasen am häufigsten zum Tode. Es war mit Nase und Äuge leicht wahr¬ 
nehmbar und zwang den Gegner unbedingt zum sofortigen Gebrauch der Maske, 
war sie in Grdnung und wurde sie rechtzeitig aufgesetzt, so war der Schutz von 1917 
an durchaus sicher. Oiewirkung bestand dann nur in dem Zwang, die Maske gegebenen¬ 
falls zu tragen, und in der Nervendrohung. Grünkreuz eignete sich, da es sich im freien 
Gelände innerhalb weniger Stunden verflüchtigte, in erster Linie zur Vorbereitung 
eines Angriffs, war aber auch für die Verteidigung brauchbar. Nur mußte man, wenn 
Dauerwirkung erstrebt wurde, einen „Gassumpf" oder eine „Gassperre" immer wieder 
auffüllen. Vas kostete viel Munition und war doch nicht sicher, da der Gegner ein nur 
mit Erünkreu; vergastes Gelände mit aufgesetzter Maske verlustlos durchschreiten 
konnte. 
Zm Gegensatz zu Grünkreuz durchschlug Blaukreuz, das gleichfalls mit Auge und 
Nase wahrnehmbar war, die Maske. Es reizte zu unwiderstehlichem Niesen und husten 
und zwang dadurch zum Abnehmen der Maske, verwendete man Blaukreuz und 
Grünkreuz gemischt (Luntkreuz), so gewann Grünkreuz nunmehr die Gelegenheit zur 
tödlichen Einwirkung auf den ungeschützten Gegner. 
Aber auch Blaukreuz allein war wirksam, im Verhältnis zur verwendeten Menge 
war es sogar der wirksamste Kampfstoff. Eine ganz geringe Menge genügte, um einen 
Zustand angstvoller Beklemmung und Schwäche hervorzurufen, der jede Tätigkeit 
lähmte, der sich übrigens schon nach einer viertel bis halben Stunde völlig verlor, 
verhältnismäßig wenig Geschosse genügten zur Erzeugung ausreichender Gasdichte. 
Dadurch und infolge der Eigenart seiner Wirkung war Blaukreuz am unabhängigsten 
von Witterung, wind und Gelände. 
Da es sich rasch verflüchtigte, eignete sich Blaukreuz besonders zurvorbereitung eines 
Angriffs, der der Beschießung unmittelbar folgte. Man konnte bei jedem wind ver¬ 
hältnismäßig sehr nahe vor die eigene Truppe schießen. Auch für den Bewegungskrieg 
war es brauchbar. §ür die Verteidigung war die Wirkung zu kur; dauernd. 
Oie Blaukreuzgeschosse konnten, da das Gas schon in kleinen Mengen wirkte, wieder 
eine recht beträchtliche Sprengladung erhalten (zwei Drittel der gleichkalibrigen 
Splittergeschosse). Das erhöhte ihre Verwendungsfähigkeit und Beliebtheit. 
Vas dritte deutsche Artilleriegas, das Gelbkreuz, nach seinem schwachen Geruch 
auch Senfgas oder nach dem Drt der ersten Verwendung auch Werit genannt, unter¬ 
schied sich wesentlich von den beiden anderen. Es war nur schwer wahrnehmbar, da 
es nur sehr geringen Nebel entwickelte und schwachen Geruch hatte. Oie Wirkung trat 
erst nach einer Inkubationszeit von mehreren Stunden, manchmal Tagen, ein. Dafür 
aber blieb das Gas Tage, ja unter Umständen wochenlang im Gelände wirksam. 
Nur Ehlorkalk oder schwerer Regen vernichteten es rasch. Gelbkreuz wirkte nicht nur 
auf Auge, Nase, Lunge, sondern auf den ganzen menschlichen Körper, drang sogar 
durch Bekleidung und Stiefel durch. 
Oie Vergiftungserscheinungen waren besonders häßlich und unheimlich, weil sie 
oft eintraten, ohne daß der Betroffene wußte, wo er sich angesteckt hatte. Meist bil¬ 
deten sich scheußliche Geschwüre, die aber bet richtiger Behandlung in einigen Wochen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.