Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

258 
Hein; v. Hofs 
Wochen kam ein Dampfer mitproviant und Post aus der Heimat, jeder Brief war zuerst 
vom Feinde gelesen. Längst war der Irrwahn der Freiheit und Gleichheit, wie die 
Internationale sie verkündete, entschwunden, an seine Stelle war bitterste Stimmung, 
klare Erkenntnis der Lage und schließlich freudige Bereitschaft zu letzter ehrenvoller 
Tat getreten. 
Der 21. Juni 1919 steht im Sonnenglanz des längsten Tages über Deutschlands 
ausgelieferter, wehrloser Kriegsflotte vor Scapa Flow. Ihr Führer, Rontreadmiral 
v. Reuter ist ohne alle Nachricht,- er muß annehmen, daß jetzt der Waffen¬ 
stillstand abläuft! Nur eines weiß er, daß die haßerfüllten Feinde den Augenblick 
kaum zu erwarten vermögen, in dem die Leute verteilt wird. 
So sollen also deutsche Kriegsschiffe künftig unter dem Zeichen des Union Jack, 
unter der französischen Trikolore und dem amerikanischen Sternenbanner der eigenen 
Heimat Rüsten bedrohen, den fernerhin neutralen Nordostseekanal durchfahren und 
unser altes Danzig blockieren dürfen? 
In geheimnisvoller Stille rüsten unsere längst vom Irrwahn bekehrten Blaujacken 
zur Antwort: „Nie und nimmermehr werden deutsche Kriegsschiffe unbesiegt in 
Feindeshand bleiben!" — Und das Wort wird zur Tat. 
Als die Sonne des 21. Juni 1919 vom Höhepunkt ihres Laufes zum Horizont 
herabsinkt, da geht auf dem Kreuzer „Emden II" die Flagge des deutschen Admirals 
hoch, da folgt ihr die deutsche Kriegsflagge noch ein letztes Nlal an den Nlasten aller 
Schiffe, da beginnt Deutschlands schimmernde Seewehr im wogengrab von Scapa 
Flow zu versinken. Unsichtbare Hände hatten in dunkler Unterwassertiefe 
die Bodenluken geöffnet, nun ließen wehrlose Tapfere, die diese Tat 
vollbracht, unter englischem Feuer ihr Leben. 
Ein englischer Augenzeuge nennt den Vorgang eines der größten Dramen der 
Weltgeschichte. Nach seiner Schilderung wurde um die Nlittagszeit gemeldet, daß 
eines der deutschen Schlachtschiffe sich in sinkendem Zustand befinde, fast gleichzeitig 
hißte jedes deutsche Schiff die Flagge am Hauptmast. Die Mannschaften begannen 
ihre Schiffe in Booten zu verlassen, es war augenscheinlich, daß ein genau vorher 
bestimmter Plan ausgeführt wurde. Aus dem Zustand der Schiffe konnte man mit 
Bestimmtheit schließen, daß die Ventile geöffnet worden waren. In überraschend 
kurzer Zeit begannen große und kleine Schiffe zu sinken. Um 1 Uhr mittags bietet 
sich ein Schauspiel, das sich jeder Beschreibung entzieht: 
was eben noch die stattliche Flotte war, die ruhig vor Anker lag, das war nun 
eine Reihe taumelnder und wankender Riesenleiber, deren Schicksal in ihren Be¬ 
wegungen geschrieben stand, hier verschwand ein Zerstörer inmitten einer Dampf- 
wolke, dort tauchte ein Schlachtschiff in plötzlichem Sturz in die Tiefe und versank in 
einem Wirbel aufschäumender Wogen. Ein anderes sank zuerst mit dem Heck unter 
Wasser, jenes legte sich langsam mehr und mehr auf die Seite, bis nur noch der Kiel 
über die Wellen ragte. „Oerfflinger", „hindenburg", „von der Tann", „Moltke", 
„Segdlitz", die „Emden" und wie sie alle hießen, die der Stolz unserer Flotte waren, 
sie alle gingen Seite an Seite unter. Oer Engländer erzählt, wie die Bucht von Scapa 
Flow bedeckt war mit kleinen Booten voll Menschen, die im letzten Augenblick ihr 
Schiff verließen. AIs die erste Bootladung von einem Schleppschiff längsseits der 
„victorious" bugsiert worden sei, habe der deutsche Dffizier in dem Boot seinen 
Leuten einen Befehl gegeben,- sie antworteten mit drei kräftigen Hurrarufen. Alle 
>
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.