Denkwürdige Begebenheiten aus dem Seekrieg
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Skagerraktage
eine besonders scharfe Zuspitzung erfuhr. Vieser Meinungsstreit ist unter dem Feld-
geschrei „hie Jellicoe — hie Beatty" ausgefochten worden. Welches Ende er
gefunden hat, hat man geschickt vertuscht. Britische Klugheit hat rechtzeitig einen
Vorhang vorgezogen, um politischen Schaden zu vermeiden. Jellicoe, der Führer
der Orunck Fleet, steht im Spiegel der Geschichte als ein still Abwartender vor uns,
der nach vorbedachtem Plan das Qpfer stärkster Zurückhaltung auf sich nahm; Beatty,
der Admiral der Battle Cruisers, Sohn eines Reitergenerals, hat sich hingegen als
ein Feuerkopf gezeigt, der Nelsons Ruhm zu übertrumpfen gedachte, indem er jeder¬
zeit bereit war, alles auf eine Karte zu setzen. Bei der voggerbank hatte er sich hierbei
gründlich die Finger verbrannt. Trotz der ernsten Erfahrungen vom Januar 1915
griff Beatty aber auch am Skagerraktage den Feind in einer Weise an, die seinem
verbände sehr bald schwerste Verluste zufügte. Das Feuer wurde von den deutschen
Schlachtkreuzern um 4.48 Uhr nachmittags auf 154 Km eröffnet, vie Briten blieben
es nicht schuldig. Die Feuerüberlegenheit aus deutscher Seite war aber derart groß,
daß die fünf Briten bereits um 4.51 Uhr acht schwere Treffer erhalten hatten. Die
Vier-Schuß-Salven des einzelnen deutschen Schlachtkreuzers folgten sich in Abständen
von nur 20 Sekunden. Der Feind fuhr durch einen wahren Wald von Fontänen, so
geiferte es rings um ihn empor. Um 5.03 Uhr verschwand das Schlußschiff der bri-
tischen Linie, die „Indefatigable" unter einer ungeheuren schwarzen Rauchwolke
von doppelter Masthöhe. Stichflammen fackelten, schwere Trümmer sirrten bis 60 m
höhe durch die Luft, das Schiff krängte nach Backbord und ging mit über tausend
Mann in die Tiefe. Eine halbe Stunde später ereilte die „Queen Mary" dasselbe Los:
aus dem berstenden Rumpf stieg eine Rauch- und Feuersäule bis zu 700 m höhe!
In die Leere zwischen den Kampfbahnen der Riesen prasselten von beiden Seiten
Schwärme von Torpedobootsverbänden.
Sie verbissen sich im Nahkampf und stritten gleich wacker um Ruhm und Sieg, ver
Brite „Nomad" sank,' „V29", Kapitänleutnant Steinbrink, verfeuerte, zu Tode
getroffen, noch vier Torpedos gegen die feindlichen Schlachtkreuzer,' „V 27", Kapitän*
leutnant Ehrhardt, mußte gesprengt werden,- mitten im feindlichen Feuer ging
aber „V26", Kapitänlcutnant Hans Koehler, längsseit und rettete in echt kamerad¬
schaftlicher Treue die gesamte Besatzung! Bald darauf kam für die Briten die größte
Überraschung des Tages: die gesamte deutsche Schlachtflotte preschte heran, Beatty
hatte sie noch weit zurück, noch auf der Jade vermutet! Und nun folgte ein langes,
zähes Ringen, wo dem britischen Gros alle Gunst des Schicksals zur Seite stand,
bessere Beleuchtung und eine vom Zufall bescherte überlegene taktische Lage,' wo
trotzdem aber der starke Wille und das gläubige vertrauen eines Mannes die Lage
beherrschte, wo
Admiral Scheer gebot.
Sein zweimal durchgeführter Stoß gegen den würgenden Panzerring des Feindes
war eine Großtat der Seekriegsgeschichte aller Zeiten. Durch die Wucht seines Vor¬
gehens riß Scheer die Initiative an sich,' er überraschte den Gegner vollends und
warf dessen Pläne für den Rest des Tages über den Haufen. Eine Nachtschlacht auf¬
zunehmen oder gar zu suchen, dazu fühlte sich der britische Führer nach eigenem
Eingeständnis nicht stark genug. Er wußte, „daß er den veutschen dadurch die Mög-