Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Unbekannter von Luftschiffen 
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beschädigte Schiff keinesfalls mehr nach Haufe oder auch nur an die deutsche Küste 
zurückbringen konnte. Er nahm daher Kurs auf Klandern und hoffte, wenigstens dort 
das Schiff im Bereich unserer Truppen landen zu können, obwohl es bei einer Lan¬ 
dung auf Land bestimmt erheblich beschädigt werden würde, da es bei Verlust großer 
Gasmengen so schwer geworden war, daß eine glatte, bruchfreie Landung aussichts¬ 
los erschien, über schon bald nach dem verlassen der englischen Küste mußte man auch 
die Hoffnung aufgeben, noch Land zu erreichen, wenn man nicht wieder kehrtmachen 
wollte, um das Schiff auf englischem Loden hinzusetzen. Vas kam aber nicht einen 
Augenblick ernstlich in Krage, denn einmal wäre das Schiff dem Keind in die Hände 
gefallen, da es immerhin fraglich war, ob es der Besatzung noch gelungen wäre, es 
rechtzeitig vor Eintreffen englischer Soldaten restlos zu vernichten, und zweitens 
winkte dann englische Gefangenschaft für die Besatzung. Es mußte also unter allen 
Umständen versucht werden, wenigstens schwimmend mit dem Luftschiff die flan¬ 
drische Küste zu erreichen. Alle Motoren liefen noch einwandfrei, so daß das sehr 
schwere Schiff mit großer Schräglage noch dynamisch in der Luft gehalten werden 
konnte. Trotzdem sackte es von Minute zu Minute immer weiter durch, die Kahrhöhe, 
die beim Angriff 4200 m betragen hatte, nahm zusehends ab und die Kurve des 
Barographen steuerte infolgedessen immer langsam aber sicher nach unten. Es wurde 
alles versucht, durch Gewichtsabgabe das Schiff zu erleichtern, vie Maschinengewehre 
mit Munition wurden zu allererst über Lord geworfen. Es folgten Reserveteile aller 
Art, Motorenzglinder, Werkzeuge usw., hauptsächlich die Gegenstände, die besonders 
schwer waren. Aber auch das half nichts mehr? immer weiter sackte das Schiff nach 
unten durch, und man konnte sich in aller Ruhe ausrechnen, wann bei diesem be¬ 
ständigen Kalten die See erreicht wurde. Als alle gewichtigen Gegenstände über Lord 
geworfen waren und nichts mehr im Schiff war, was nicht niet- und nagelfest war, 
mußte sogar die Kunkenbude, d. h. die K.-T.-Station, daran glauben. Sie wurde so 
schnell es ging abmontiert und sowohl die Außenwände, wie auch Kußboden und 
Decke stürzten mit Sender und Empfangsgerät über Lord. Man konnte sie entbehren, 
denn mittlerweile war das Schiff schon so tief gesunken, daß die Antenne im Wasser 
schleifte und dadurch ein Empfang wie ein Senden der Station unmöglich war. 
AIs ich peterson wenige Tage nachher bei seiner Rückkehr von Brügge frug, was 
er als erstes über Lord geworfen hätte, sagte er freudestrahlend „Kriegstagebuch mit 
samt dem ganzen Schriftladen", damit es nicht eventuell in feindliche Hände fiel. 
Tatsächlich war er ebenso wie sein Wachoffizier froh, daß man auf diese allerdings 
ungewöhnliche weise um die Berichterstattung in mehrfacher Ausfertigung für die 
zahlreichen vorgesetzten Dienststellen herumgekommen war. Venn die Schreiberei 
während des Angriffs und während der ganzen Kahrt war immer das allerschlimmste 
bei den ganzen Englandfahrten. Also diese Sorge war er zuerst los. Aber auch das 
überbordwerfen der K.-T.-Station und endlich der gesamten Lederausrüstung der 
Besatzung — man war in tiefere, wärmere Regionen gekommen und konnte sie ent¬ 
behren — konnten das Schiff nicht mehr davor bewahren, daß es doch noch in die See 
fiel,' Gas- und Auftriebsverlust durch die schweren Treffer waren zu groß. Es kam 
nun darauf an, das Schiff wenigstens so ins Wasser zu setzen, daß es dabei nicht ernstlich 
beschädigt wurde, ja womöglich auseinanderbrach und so auch eine Rettung der Be¬ 
satzung aussichtslos erschien, va das Schiff, wie ich schon vorhin sagte, nur noch durch 
die Kraft der Motoren in erster Linie in der Lust gehalten wurde, konnten also auch 
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