Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Lkbeth Schragmüller 
suchen an der Front, ich lernte anläßlich häufiger Dienstreisen in das besetzte 
Gebiet oder die Heimat und erhielt Anregung zu neuen Möglichkeiten und Ver¬ 
suchen auf dem eigenen Arbeitsgebiet. Ein „ausgelernt haben" gab und gibt es nicht 
im Nachrichtendienst, ebensowenig wie in der Politik, mit der er wesensverwandt ist. 
Nur einige, wenige feststehende Grundwahrheiten gibt es hier wie dort. Obwohl mich 
das Gefühl, niemals genügend Erfahrungen zu besitzen, stets beherrschte, erfüllte 
mich doch Stolz und Befriedigung, wenn ich bei Besprechungen aufgefordert wurde, 
die eigene Ansicht zu äußern, Bericht zu erstatten, als ich empfinden durfte, daß mein 
Urteil, meine Meinung zählte. Kleinliche Eitelkeit war das nicht. Es war ein Stolz, 
der mich dankbar dafür machte, daß ich mein bescheidenes Scherflein zu dem Ringen 
des deutschen Volkes um seine Freiheit beitragen durfte. Die Befriedigung hierüber 
war doppelter und dreifacher Ansporn zu Höchstleistungen, die nur mit zähester Ener¬ 
gie, mit Aufbietung aller geistigen und körperlichen Kräfte, mit restloser Hingabe 
meiner ganzen Persönlichkeit an die Sache erreicht werden konnten. 
Wie aber war es möglich, daß eine Frau im deutschen Nachrichtendienst Brauch¬ 
bares zu leisten imstande war, — eine Frau, die doch weder die niedere militärische 
Ausbildung des Exerzierplatzes, noch die hohe Schule des Generalstabes durchlaufen 
hatte? 
über das eigentliche Wesen des Nachrichtendienstes 
verschiedene im Wesen des Nachrichtendienstes liegende Ursachen geben die Er¬ 
klärung. Andere mögen in persönlichen Veranlagungen gelegen haben. Zunächst: 
Das innerste Bkesen des Nachrichtendienstes ist kein militärisches! Ls spielt sich 
nach keinem Exerzierreglement ab, er ist nicht auf Befehlen und Gehorchen gegründet, 
er wird von anderen, eigenen Gesetzen getragen. Er ist nur soweit militärisch wie auch 
die Politik. Dies erfährt keine Einschränkung dadurch, daß er u. a. Nachrichten mili¬ 
tärischen Inhalts zu beschaffen hat, ebensowenig wie die Politik dadurch etwa im 
Militärischen erschöpft ist, daß sie u. a. Vereinbarungen militärischer Tragweite trifft. 
Es ist ein Irrtum anzunehmen, der Nachrichtendienst der Obersten Heeresleitung sei 
in der Feststellung des Verbleibes dieses oder jenes feindlichen Armeekorps, in der 
Erkundung örtlicher Angriffsabsichten, in der Feststellung von Geschütz- oder Bomben- 
geschwaderwirkungen usw. begrenzt gewesen. Gewiß gehörte alles dieses als Teil¬ 
gebiet zu seinem umfassenden Arbeitsfelde. Doch so wenig sich der Weltkrieg in den 
sichtbaren Operationen an den Fronten erschöpfte, so wenig er ausschließlich ein sich 
Messen der militärischen Kräfte war, sondern wie er Krieg auf allen Gebieten be¬ 
deutete, so hatte auch der Nachrichtendienst zum Gegenstände seiner Erkundungen und 
Beeinflussungen die gesamte Fülle der auch auf geistigem Gebiete dem Kriege dienst¬ 
bar gemachten Kräfte. 
Warum sich nicht nur Berufsoffiziere für den Nachrichtendienst eignen 
Könnte nur der Berufsoffizier die solchem Nachrichtendienst geeignete Vorbildung 
ausweisen? Seiner Struktur nach ist der Nachrichtendienst auf psychologischen Kräften 
aufgebaut, auf Fähigkeiten die nicht erlernbar und nicht Eigenschaften eines Berufes 
sind. Wie der Künstler nicht ohne Talent zum wahren Künstler werden kann, so kann 
auch der Nachrichtenoffizier nichts ohne psychologische Fähigkeiten leisten.
	        
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