Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

150Llsbeth Schragmüller 
Weltkrieges stehen müsse, als die hauptsächlich für die örtlichen Belange der Garnison 
Brüssel sorgende Sektion VII der Kommandantur. Trotzdem zögerte ich, das mich sehr 
lockende Anerbieten anzunehmen, denn ich mochte dieser gegenüber nicht treulos han¬ 
deln. Als jedoch meine bisherigen vorgesetzten ihr Einverständnis gaben, nahm ich an. 
Noch hatte ich keine Ahnung, daß diese Stelle zur Gbersten Heeresleitung ge¬ 
hörte und einen ihrer vorgeschobenen Posten bildete, wußte nicht, welch wichtiges 
Arbeitsfeld ihr anvertraut war und hätte es mir wohl schwerlich träumen lassen, 
welche Verantwortung ich selbst in ihrem Rahmen für die Dauer des ganzen Krieges 
finden sollte. Blicke ich heute, um so vieles reifer und reicher an schwerwiegender 
Lebenserfahrung zurück, so erscheint mir dies immer noch als unbegreifliche, ver¬ 
wunderliche Schicksalsfügung. 
Schon rein äußerlich bedeutete die Eingliederung in die neue Dienststelle einen 
erheblichen Umschwung, vom Leiter der Stelle und seinen Offizieren, älteren viel¬ 
seitig gebildeten Herren verschiedener Berufe, wurde ich kameradschaftlich behandelt 
und fand mich somit in die eigene, gesellschaftliche Sphäre zurückversetzt. Ich nahm an 
der kleinen, gemeinsamen Offizierstasel teil und war allen äußerlichen, mili¬ 
tärischen Vorschriften, wie Meldung zum Appell usw. enthoben. Weit be¬ 
deutender und gewaltiger als dieses aber war der Umschwung in der Art und Weise 
meiner Verwendung, hatte ich bisher nur untergeordnete Obliegenheiten zu ver¬ 
richten, so durfte ich mich jetzt in das ungeheuer weite und schwierige Betätigungs¬ 
feld einer Kriegsnachrichtenstelle einarbeiten, konnte mir von Tag zu Tag das 
wachsende vertrauen meiner neuen Vorgesetzten erringen und durfte rasch, Stufe 
um Stufe zurücklegend an immer wichtigeren und verantwortungsreicheren Aufgaben 
mitwirken. 
Wie ich den Ehef der Abteilung IIIB 
des Großen Generalstabes kennenlernte 
Wenige Tage vor dem §all Antwerpens, am 9. Oktober 1914, hatte ich die erste, 
mir einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassende Begegnung mit dem Ehef der 
Abteilung IIIB des Generalstabes, dem der gesamte Nachrichtendienst der 
Gbersten Heeresleitung unterstellt war. War ich damals auch noch weit davon ent¬ 
fernt, die ganze Bedeutung seines Ressorts zu erfassen, so wurde mir dennoch die 
weitsichtige Großzügigkeit bewußt, mit der der deutsche Generalstab an die Lösung 
des sich jeweils aus der Lage ergebenden Aufgabenkreises herantrat. Die hohe Dienst¬ 
auffassung dieses Abteilungschefs, in der sich das traditionelle Pflichtbewußtsein des 
Generalstabes widerspiegelte, wunderte mich nicht, aber ich staunte ob seines aus¬ 
geprägten Verantwortlichkeitsgefühls, das ihn nicht nur der Sache gegenüber leitete, 
sondern auch gegen jeden seiner Untergebenen erfüllte. Das ließ ihn z. B. starke Be¬ 
denken haben, ob er mich, eine §rau, den mannigfachen besonderen Gefahren des 
Nachrichtendienstes aussetzen dürfe, von denen Nachrichtenoffiziere bedroht sind! 
Nur mit Aufbietung aller in mir schlummernden Kräfte gelang es mir endlich, seine 
Einwilligung zu erhalten, im Dienste der mobilen Abteilung IIIB bleiben und an der 
Seite des Leiters meiner Kriegsnachrichtenstelle den Standort Brüssel mit Lille 
tauschen zu dürfen. 
Leim Eintritt in meinen neuen Wirkungskreis hatte ich geglaubt, eine Kriegs¬ 
nachrichtenstelle gebe die Nachrichten über den Krieg an die Öffentlichkeit, verfasse
	        
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