Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Llrbeth Schragmüller 
briefes vom Oberkommando in Berlin war es nicht einfach, bis nach Brüssel vorzu¬ 
dringen. Oie Lahn ging nur bis Aachen. Oie Kommandantur konnte kaum den An¬ 
forderungen nach Automobilen seitens der dienstlich zwischen besetztem Gebiet und 
der Heimat verkehrenden Militärpersonen genügen, obwohl sich alle Aachen ver¬ 
lassenden Wagen bei ihr melden mußten, um die Vergebung etwaiger freier Plätze 
zu regeln. An wen auch immer ich mich mit der Bitte, mir behilflich zu sein, wandte, 
stets ward mir der wohlgemeinte, aber für mich unannehmbare Rat zuteil, umzu¬ 
kehren und nach Hause zu fahren. Oa mir die Kommandantur den Bescheid gegeben 
hatte, daß ich als Privatperson nicht eher befördert werden könne, ehe nicht die an¬ 
wesenden Heeresangehörigen zu ihren Truppenteilen geleitet seien, so blieb mir nichts 
anderes übrig, wollte ich nicht acht, vierzehn Tage oder noch länger warten, als zu 
versuchen, mir selbst einen Platz in einem Wagen zu beschaffen, ehe dieser den ver¬ 
kehrsregelnden Bereich der Aachener Kommandantur berührt haben würde. Vas ge¬ 
lang, wenn auch nach Überwindung großer Hindernisse! Auch die Fahrt nach Brüssel 
ging nicht ganz glatt vonstatten! Oer des Weges wenig kundige Thauffeuroffizier 
verfuhr sich in holländisches Grenzgebiet, nur durch einen glücklichen Zufall 
entgingen die Militärpersonen der Internierung. Zn der Straßen Löwen? sah ich 
dem Krieg zum ersten Male in sein grausiges Antlitz. Spät nachts wurde Brüssel er¬ 
reicht. 
Wie ich in Brüssel meinen ersten Posten 
im militärischen Sicherheitsdienst fand 
Ich erkundigte mich, wo der Gouvernementsstab untergebracht sei und quartierte 
mich im gleichen Hotel ein. — Tingedenk der Erfahrungen auf dem Oberkommando 
in Berlin verschmähte ich die Einreichung eines Gesuches oder ordnungsgemäße Mel¬ 
dung bei den Behörden und trat gleich anderen Tages, rasch entschlossen, äußerlich 
sicher, doch innerlich pochenden Herzens der ehrfurchtgebietenden Gestalt des Gou¬ 
verneurs, Generalfeldmarschalls v. d. Goltz-Pascha in den Weg, als er sich nach 
der Tafel von seinem Stabe zurückziehen wollte. Mir in Berlin Empfehlungen zu be¬ 
schaffen war mir nicht in den Sinn gekommen und auch in jenem Augenblick dachte ich 
nicht daran, mich etwa auf klingende Namen meiner Verwandtschaft zu beziehen. 
Ich erstattete nur schlicht und einfach knappen Bericht, wie ich mir den Weg bis 
nach Brüssel erkämpft hatte und was mein Begehr war. Exzellenz v. d. Goltz 
schenkte mir willig Gehör, mit feinem Verständnis und voller Güte mag er wohl einen 
tiefen Blick in mein herz mit seinem brennenden verlangen getan haben, endlich, 
endlich mit zum Dienste am Vaterland herangezogen zu werden. Er war der Erste 
in der Reihe der Großen, die ich später kennenlernen durfte, welcher begriff, daß 
weder Abenteuerlust noch Leichtsinn mich Hinausgetrieben hatten, daß es 
mir heilig ernst war mit meinem Willen und Streben! 
Tr überantwortete mich dem damaligen Kommandanten von Brüssel und dieser 
überwies mich einer Dienststelle, der gewisse Funktionen des militärischen 
Sicherheitsdienstes oblagen. 
Entsprach auch die Art und Weise meiner Verwendung und der im allgemeinen 
unter recht kleinlichen Gesichtspunkten von einem Oberleutnant der Reserve, Rechts¬ 
anwalt im Zivilberuf, gehandhabte Vienstbetrieb wenig meinen Hoffnungen, so 
stürzte ich mich doch mit Feuereifer in den neuen Pflichtenkreis. Es galt die Sporen
	        
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