Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

hinter den Kulissen 
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„Gestern abend, gegen zehn Uhr", antworteten diese. 
„Und seither habt ihr nicht geschlafen?" machte Vuval sich lustig: „Ich bitte euch 
um Entschuldigung, daß ihr habt meinetwegen so spät aufwachen und so früh auf¬ 
stehen müssen." 
„welch ein militärischer Aufputz?", sagte er beim Gang zum Pfahl,' „wozu all 
diese Soldaten? Ich habe ein Geleite wie — der Präsident der Republik." 
* 
Lin Genosse von Vuval — die Geschichtsschreibung spricht kurzerhand von einem 
Anarchisten — schien vor der Hinrichtung besonders heiter gewesen zu sein. „Nun, 
mein Freund", sagte der Geistliche darum zu ihm, „Sie sind so zufrieden; mit Recht, 
denn Sie werden mit den Engeln frühstücken." 
„Sehr zufrieden, wahrhaftig", erwiderte der verurteilte, „aber gehen Sie doch 
voran, Herr Pfarrer, und sagen Sie den Engeln, man solle ein Gedeck mehr auf¬ 
tragen." 
wie man sieht: vie Leute von der Presse verließ der Geist erst, als sie ihn aufgaben. 
Selbst Bolo-Pacha, ein pariser Millionär, von dem man sonst nichts gehört 
hat als daß er eine große französische Tageszeitung habe unter deutschen Einfluß 
bringen wollen, starb mit einer geistreichen Geste. Leim Ankleiden vor der Hinrichtung 
ließ er sich vom Gefängniswärter zwei weiße seidene Taschentücher aus seinem 
Wäschevorrat bringen. Er faltete sie auseinander und legte sie unters Hemd auf 
seine Brust, vann knöpfte er die weste zu. Vas eine von den Tüchern sollte nach 
seinem Tode zum Andenken der Bruder, das andere seine Frau bekommen. 
vie Leiche des Erschossenen wurde nachher den Hinterbliebenen zugestellt, vem 
letzten Wunsche des Toten entsprechend auch die beiden blutdurchtränkten, kugel¬ 
durchlöcherten seidenen Tücher. 
Oie französischen Henkersknechte fanden aber noch nicht genug Grausamkeit in 
dem Zustand der entsetzlichen Gedenkstücke. Sie hatten die Tücher verpackt — je in 
einem Exemplar der Zeitung, die der Gegenstand des Verrates war. 
* 
vor der ersten Kammer des Kriegsgerichts in Paris stand ein ungarischer 
Zigeuner, Farkas mit Namen. Er war kur; vor dem Krieg aus Genf gekommen 
und war im Besitz von 700 Franken, als er seiner Staatsangehörigkeit wegen ver¬ 
dächtigt und festgenommen wurde. Er sollte sich über die Herkunft des Geldes aus¬ 
weisen. va seine Angaben der geschlossenen Grenzen wegen nicht nachgeprüft werden 
konnten und er selbst wert darauf legte, auf freien Fuß zu kommen, verwickelte er sich 
in Widersprüche und erreichte dadurch das Gegenteil seiner Absicht, vie Untersuchung 
zog sich in die Länge. 
Wieder war einmal eine Vernehmung, ver Hauptmann Nlarcet hat sie geführt. 
Aber auch diesmal ging's nicht vom Fleck. Oa wurde der Hauptmann für eine kurze 
Zeit aus dem Zimmer gerufen. Dberst Thiöbault hatte mit ihm etwas zu besprechen. 
Als der Hauptmann wieder hereinkam, ging's aber auf einmal, ver Zigeuner hatte 
in der Zwischenzeit umgesteckt, wie kam das? — 
ver Dolmetscher, zugleich Gerichtsschreiber, veltour, soll es fertig ge¬ 
bracht haben. Vieser habe, sagt die Geschichte, in der Abwesenheit des Hauptmanns 
dem Zigeuner eine Belehrung gegeben.
	        
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