Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Walter Nicolai 
deutschen Front zerstört waren, setzte an der ganzen Front und im Rücken des 
deutschen Heeres von Holland aus auf den verschiedensten wegen der versuch ein, 
neue Verbindungen zum Zwecke des Nachrichtendienstes mit der Bevölkerung der 
besetzten Gebiete herzustellen. Landeskundige Spione wurden mit Flugzeugen abge¬ 
setzt und mit Fallschirmen aus Flugzeugen hinter der deutschen Front abgeworfen. 
Ebenso gingen der Bevölkerung Material und Anweisung für die Nachrichtenüber¬ 
mittlung durch Brieftauben, durch drahtlose Telegraphie und durch Loten nach 
Holland zu. Es bildeten sich ganze Straßen des Nachrichtendienstes von Holland 
durch Belgien und Nordfrankreich bis zu den vordersten deutschen Truppen. An¬ 
gehörige aller Gesellschaftsklassen, beider Geschlechter und auch Rinder als Boten 
traten in den Dienst dieses Sgstems. Es wurde auch dazu benutzt, den Hatz gegen die 
deutschen Eindringlinge zu steigern und durch Abwurf von Zeitungen und Flug¬ 
schriften in französischer und deutscher Sprache Propaganda unter der Bevölkerung 
und bei den deutschen Truppen, besonders in der Etappe, zu treiben. Unter den 
abgeworfenen Schriften befanden sich auch von Deutschen verfaßte, viel Elend kam 
auf diese weise in die Bevölkerung des Kriegsschauplatzes und was an unbedingt 
notwendigen Abwehrmatznahmen notwendig wurde, fällt nicht einer grausamen 
deutschen Kriegführung, sondern dem Feindbund zur Last. 
Zentralen des feindlichen Nachrichtendienstes in Holland 
In Holland selbst befand sich eine große Zahl von Zentralstellen des französischen, 
englischen und belgischen Nachrichten- und Propagandadienstes. Bereits Anfang 1917 
waren annähernd 500 in Holland tätige Mitarbeiter derselben in gehobener Stellung 
der deutschen Abwehr bekannt. Oie von ihnen zur deutschen Front ausgehenden 
Fäden bildeten ein dichtes und weitverzweigtes Netz sogenannter „Services". Deutscher¬ 
seits wurde die Taktik verfolgt, sie bei Bekanntwerden zunächst unter Abbindung der 
Verbindung nach Holland ruhig weiterarbeiten zu lassen, bis sämtliche Mitglieder 
festgestellt waren. Anfang 1917 waren bereits 79 derselben aufgehoben. Oie Zahl der 
verhafteten ging in die Tausende, in einzelnen Gruppen hatten sich über 30 Personen 
aller Gesellschaftsklassen, auch Geistliche, befunden. Bei der Einstellung der deutschen 
politischen Verwaltung gegen die Kirche in den besetzten Gebieten verlieh das geist¬ 
liche Gewand und die Kirche wirksamen Schutz. Deshalb wurde ersteres auch unbe¬ 
fugterweise von Spionen angelegt und wurden Kirchen und Klöster zum versteck 
und Sammelpunkt wichtiger Beziehungen und Nachrichten. 
Die Auswertung der Gefangenen und Beutestücke an der Front und weiter rück¬ 
wärts in den Gefangenenlagern wurde wohl auf beiden Seiten nach den gleichen 
Grundsätzen und mit dem gleichen Erfolge ausgeübt. Daß dadurch die deutsche Front 
dem Gegner bekannt wurde, ist bei dem langen Stellungskrieg kein großes Verdienst 
des feindlichen Nachrichtendienstes, ebenso wie es keine besondere Leistung des 
deutschen ist, daß auch die feindliche Front stets richtig erkannt war. 
Der feindliche Nachrichtendienst erfuhr nie die Absichten 
der deutschen Heerführung 
Darauf kann aber hingewiesen werden, daß es dem feindlichen Nachrichtendienst 
trotz aller Gunst der Verhältnisse und seiner weit überlegenen Ausdehnung nicht ge¬ 
glückt ist, das einzige wirklich entscheidende Geheimnis, die Absichten der deutschen
	        
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