Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

106 
Walter Nicolak 
kämpft worden ist, als militärischer Nachrichtendienst, hat er empfindliche Verluste 
erlitten. In den Jahren von 1908—1914 wurden in Deutschland 1056 Personen 
wegen Spionage festgenommen, von diesen wurden 135 des Verbrechens des Landes¬ 
verrats überführt und verurteilt. Es waren 107 Deutsche, darunter 32 Elsatz-Loth¬ 
ringer, 11 Russen, 5 Franzosen, 4 Engländer, 3 Österreicher, 2 Holländer, 1 Ameri¬ 
kaner, 1 Schweizer und 1 Luxemburger. In 74 Fällen geschah die Spionage für 
Frankreich, in 35 für Rußland, in 15 für England, in je einem für Italien und Belgien 
und in 9 für mehrere von ihnen gemeinsam. Während im Jahre 1908 nur 9 Fälle zur 
Verurteilung kamen, waren es 51 im ersten Halbjahr 1914. Alle diese Fälle betreffen 
aber nur Beauftragte des Nachrichtendienstes der Feindstaaten in untergeordneter 
Stellung, und nur solche, welche sich gegen militärische Interessen Deutschlands ver¬ 
gangen hatten. Solche der oberen Rreise, in denen sich der politische und wirtschaft¬ 
liche Nachrichtendienst abspielte, waren der Beobachtung der Polizei und des General¬ 
stabs entzogen. Rn und für sich handelt es sich bei einer ganzen Anzahl der ange¬ 
führten Fälle um Bagatellsachen, wenn auch einige sehr schwere verratsfälle darunter 
waren. 
Reineswegs aber trug der nur unter militärischer Leitung wirkende deutsche 
Abwehrdienst den Worten Rechnung, welche der französische Kriegsminister vor der 
veputiertenkammer in Verteidigung des eigenen Nachrichtendienstes und als War¬ 
nung vor dem anderer Staaten bereits im Jahre 1899, also an der Schwelle des Zu¬ 
sammenschlusses des Feindbundes sprach: „Man darf nicht glauben, daß jedermann 
wichtige Kenntnisse besitze. Nur wenige besitzen sie. Auch gibt es nur wenig Geheim¬ 
nisse. Oie gefährlichsten Agenten sind die, welche unter uns leben, ohne daß wir sie 
kennen, die bis in die Salons vordringen und sich über die großen entscheidenden 
Fragen unterrichten. Nur Nachrichten über diese können dem eigenen Land in Wahr¬ 
heit nützen. Vas ist die wahre Rolle eines Agenten, daß er, ganz erfüllt von den 
Interessen seines Landes und dem Willen ihnen zu nützen, gut angeleitet durch seine 
Regierung, es versteht, im fremden Lande Freundschaften bei der Regierung, wenn 
nicht selbst mit dem Souverän anzuknüpfen, halten Sie bitte diese Rolle für diejenige 
unserer Agenten im Ausland!" Diese Worte gelten noch heute. Sie geben in klassischer 
Kürze 
die Ziele und Wege des Nachrichtendienstes 
der Feindbundstaaten 
Sie treffen vor allem zu für den diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen 
Nachrichtendienst. Nur für den letzteren und für den militärischen Nachrichtendienst ist 
noch das je nach den verfügbaren Mitteln verschieden große Heer der unteren Agenten 
notwendig, mit deren Aufgaben sich die oberen Agenten ihrer gesellschaftlichen Stellung 
nach nicht abgeben können. Diese unteren Agenten sind verschlagene, in der Not der 
Zeit gescheiterte Existenzen, ob sie nun als Spione zu uns kommen oder als Landes¬ 
verräter sich aus unseren eigenen Reihen rekrutieren. Aus ihren Kreisen stammt, was 
im allgemeinen in sensationeller Aufmachung die Literatur über den Nachrichtendienst 
beherrscht und damit die Ansicht verbreitet, dies sei das Niveau, auf dem er sich ab¬ 
spielt. Der Gegner fördert diese Auffassung, um hinter ihr den bei weitem wert¬ 
volleren Teil der Tätigkeit der oberen Agenten, welche den besten Gesellschaftskreisen 
angehören, und unter der verschiedensten, aber immer deutschfreundlichen Maske
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.