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Werner Berg
der in Antwerpen für Deutschland gegen England arbeitete, und der der erste Ge¬
fallene des Weltkrieges auf deutscher Seite wurde, als er tapfer bis zum letzten
Augenblick der Todessalve erlag.
Man hat im Zuge der Greuelmärchen-Propaganda auch oft es so darstellen wollen,
als ob dis deutschen Kriegsgerichte „barbarische" Urteile gegen feindliche Spione
gefällt hätten. Noch heute wird es sich aus den Akten beweisen lassen, daß feindliche
Spione aus rein vaterländischen Motiven, besonders wenn sie mutig zu ihrer Tat
standen, vom deutschen Kriegsgericht ritterlich dadurch geehrt wurden, daß das sonst
sichere Todesurteil verworfen und dafür auf Freiheitsstrafe erkannt wurde.
Ein seinerzeit mit vielen Legenden ausgeschmückter Fall verdient in diesem Zu¬
sammenhang Erwähnung. Es war im September l9l4. Beim Vormarsch im Westen
spielt das Schlachtenglück mit beiden Parteien auf der Linie Eroug—Letz hin und her.
Deutsche Infanterie und Artillerie machen gleicherweise die Beobachtung, daß sie
unter mörderisch gutem Artilleriefeuer liegen, wieder einmal spricht man davon,
daß man sich auf einem französischen Truppenübungsplatz befinden müsse. Allein
das war es nicht.
Ein Hauptmann der Feldartillerie entsann sich später daran, daß seine Batterie
nach langen Stunden furchtbaren Feuers bei erneutem Stellungswechsel plötzlich
himmlische Ruhe um sich hatte, verwunderlich war das in der Tat nicht. Doch der
Grund dafür kam erst heraus, als der Hauptmann den nahe gelegenen Kirchturm
zwecks besserer Beobachtung erstieg.
Als er in das Glockengehäuse kam, sah er dort in eine Ecke gedrückt einen Priester
sitzen, der in ein Feldtelephon hinein das Feuer der französischen Batterien am hang
gegenüber geleitet hatte, wie ein Lauffeuer verbreitete sich in der kämpfenden Truppe
die Nachricht, daß selbst ein Priester den Artilleriebeobachter gespielt habe.
Einige Stunden später wurde jedoch der wahre Sachverhalt allgemein bekannt¬
gegeben. Es war sofort schon aufgefallen, daß die Wäsche und das Aussehen des
Priesters keineswegs echt anmuteten. Schließlich fand man an einem Kettchen um
den hals des Gefangenen einen Talisman, von dem er sich trotz aller Gefahr nicht
hatte trennen wollen. Ls war ein Medaillon mit dem Bild von Frau und Rind des
Gefangenen. Er gestand nun, daß er französischer Offizier sei und sich den priesterrock
requiriert habe, um seiner Truppe diesen gefährlichen Dienst zu leisten. Die Franzosen
hatten natürlich den Kirchturm und seine nähere Umgebung des Beobachters wegen
geschont und damit auch die bis zur Kirche aufgerückte Batterie. Line halbe Stunde
nach der Verhaftung des Telephonisten im Turm wurde die Kirche unter starkes
Feuer genommen.
warum starb Mata hari, die holländische Tänzerin? — Sie wurde nach nicht¬
öffentlichem Prozeß von den Franzosen erschossen, was man auch gegen sie hatte
vorbringen können, alles zerschellte an der Tatsache, daß sie freiwillig nach Frankreich
zurückgekehrt war, obwohl sie davor gewarnt wurde und selbst auch fühlen mußte,
daß es sicherer war, dieses Land zu meiden. Auch jetzt noch erheben sich in Deutsch¬
land Stimmen von Leuten, die es wissen müssen, daß sie unschuldig in den Tod
gehetzt worden sei.
Es ist nicht der einzige Fall, daß die französische Spionagezentrale mit einem
Gewaltstreich ein Schicksal getroffen hat, das sich nicht hatte für die gallischen Inter¬
essen einspannen lassen. „List du nicht für uns, dann bist du gegen uns", so wurde