Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

86 Han; Garcke 
die großen Schwierigkeiten fort, die sich bei uns aus der Blockade ergaben. Un¬ 
begrenzte Mengen von Arbeitskräften und Rohstoffen standen ihm zur Verfügung, 
und außerdem war er uns gegenüber noch dadurch im Vorteil, daß die „neutralen" 
Amerikaner Munition und sonstiges Rriegsgerät für ihn fertigten. 
Verhängnisvoll war für uns besonders der Mangel an Rohstoffen. Es war ver¬ 
säumt worden, rechtzeitig die erforderlichen Vorräte aus dem Auslande zu beschaffen 
oder für den Notfall die Verwendung von Ersatzstoffen vorzubereiten. Auch als es 
klar wurde, daß der Rrieg unabwendbar war, tat man nichts, um wenigstens im 
letzten Augenblick noch unauffällig Rupfer, Salpeter u. dgl. aufzukaufen. Man 
hoffte wohl auf die Zufuhr durch die Neutralen und hielt die Krage nicht für be¬ 
sonders dringlich. 
Ebensowenig wie für die Beschaffung und Verteilung der Rohstoffe im Rriegs- 
falle bestand ein fester Wirtschaftsplan für die Umstellung unserer gesamten ge¬ 
werblichen und kommerziellen Tätigkeit und für die Umgruppierung der Arbeits¬ 
kräfte. ver Gedanke, zur gründlichen Bearbeitung aller dieser Kragen einen wirt¬ 
schaftlichen Generalstab zu schaffen, war oft und zwar von verschiedenen Stellen 
angeregt worden, wurde aber niemals weiter verfolgt, vie entscheidenden Stellen 
legten keinen besonderen Wert darauf, weil sie eben an die Möglichkeit eines Rrieges 
von mehrjähriger Dauer nicht glaubten. So gingen wir wirtschaftlich unvorbereitet 
in den Weltkrieg! 
General v. wrisberg schreibt in seinen Erinnerungen *): „Ich entsinne mich, daß 
etwa 1908 vom Generalstabe die Krage angeschnitten wurde, wie lange sich veutsch- 
land, auf sich allein angewiesen, ernähren könnte. Das Ergebnis einer vom Reichs- 
amt des Innern über diese Krage angeordneten Untersuchung war: Ein Jahr. 
„Generalstab, Rriegsministerium und Landwirtschaftsministerium griffen dieses 
Ergebnis als oberflächlich und jeder sicheren Grundlage ermangelnd an und ver¬ 
langten eine neue Untersuchung. Diese Korderung hatte wohl verschnupft. Oie Sache 
wurde nun vom Reichsamt des Innern in einer kaum zu rechtfertigenden Weise 
behandelt. Mehrere Jahre hindurch wurde vom Rriegsministerium terminmäßig an 
die Erledigung erinnert. Stets wurde ein anderer Grund der Verzögerung angegeben; 
veranlaßt wurde aber nichts. Erst nach Jahren fing eine hierfür eingesetzte Rom¬ 
mission an zu arbeiten und erreichte, daß ein Gesetz über die Verpflichtung zur An¬ 
gabe der Getreidebestände vom Reichstag angenommen wurde. Dann brach der 
Rrieg aus. Letzten Endes war der Verlauf der Angelegenheit auf die Beurteilung 
der Lage durch den Reichskanzler zurückzuführen, der in unverzeihlichem Optimis¬ 
mus an keinen Rrieg glaubte." 
Rriegsminister General v. Stein teilt in seinen „Erlebnissen und Betrachtungen 
aus der Zeit des Weltkrieges" mit, daß er als Abteilungschef im Großen General¬ 
stabe wiederholt den Antrag gestellt habe, eine Aufnahme der Lebensmittel vor und 
nach der Ernte anzuordnen, unter der Annahme, daß Deutschland von allen Seiten 
abgeschlossen sei. Der Antrag sei abgelehnt worden, weil die Behörden nicht Rräfte 
genug dafür hätten und die Rosten zu hoch wären. 
Gründlich vorbereitet war unsere finanzielle Mobilmachung^). Unterlassen 
1) v. wrisberg, Heer und Heimat, Seite 5/6. 
2) vgl. helfferich, Der Weltkrieg, 2. Sand, S. 33.
	        
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