Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hans Garcke 
In seiner Schrift „L’armSe allemande pendant Ia guerre de 1914—18“ weist 
der bekannte französische General Buat ausdrücklich darauf hin, es wäre der große 
Vorteil seines Landes bei Beginn des Weltkrieges gewesen, daß es infolge einer 
viel schärferen Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht trotz weit geringerer 
Bevölkerungszahl ebenso viele ausgebildete, sofort für den Kampf verfügbare Mann¬ 
schaften gehabt habe wie Deutschland. 
Daß Deutschland trotz allen drohenden Gefahren den Grundsatz der allgemeinen 
Wehrpflicht nicht folgerichtiger durchgeführt, daß es seine Volkskraft in so unzureichen¬ 
der weise ausgenutzt hat, ist seine schwerste Unterlassungssünde, die sich bitter ge¬ 
rächt hat. 
Nichtaufstellung der 3 Korps 
Zu den Korderungen unseres Generalstabes, die das Gesetz von 1913 unerfüllt 
ließ, gehörte vor allem die Aufstellung von 3 Armeekorps, die Generaloberst v. Moltke 
für notwendig hielt, „um für eine Offensive nach Westen den erforderlichen Kräfte¬ 
ausgleich zu schaffen und gleichzeitig unseren Osten hinreichend zu schützen". Der 
Kriegsminister, General v. Heeringen, hatte Bedenken gegen die Neuorganisation, 
weil die Abgabe der erforderlichen Offiziere, Unteroffiziere und ausgebildeten Mann¬ 
schaften bei den bereits bestehenden verbänden auf zu große Schwierigkeiten stoßen 
würde und weil noch ein zu großer Mangel an Kriegsgerät aller Art bestände. Im 
Januar 1913 betonte der Generalstab nochmals die unbedingte Notwendigkeit, die 
neuen Korps zu bilden, und bat das Kriegsministerium, trotz der nicht zu verkennen¬ 
den Schwierigkeiten dafür einzutreten. Auf den Vortrag des Generals v. Heeringen 
hin indessen entschied der Kaiser, für das bevorstehende Gesetz sei auf die 3 Armee¬ 
korps zu verzichten. Ihre Aufstellung sei als Ziel für eine spätere Vermehrung in 
Aussicht zu nehmen. Zm März 1913 kam Moltke gleichwohl erneut auf die Angelegen¬ 
heit zurück,' er verwies auf die Rückkehr Frankreichs zur dreijährigen Dienstzeit, durch 
die dessen Kriedensstärke sogleich um rund 200000 Mann erhöht wurde, sowie auf 
die von Rußland beabsichtigte Neuaufstellung von 3—4 Armeekorps und betonte, 
daß die von ihm verlangten 3 Korps das Mindeste bedeuteten, was für die Aus¬ 
gestaltung unserer Wehrmacht zunächst geschaffen werden müsse. Da indessen der 
Kriegsminister seine Bedenken nicht fallen ließ, fand die Aufstellung der 3 Korps 
in dem Kriedenspräsenzgesetz von 1913 keine Aufnahme mehr. Die Forderung kam 
nicht einmal bis an den Reichstag. 
wäre Generaloberst v. Moltke durchgedrungen, und hätten im September 1914 
3 Armeekorps als Reserve hinter unserem rechten heeresflügel in Frankreich zur Ver¬ 
fügung gestanden, dann wäre es aller menschlichen Voraussicht nach zu dem ver¬ 
hängnisvollen Rückschlag an der Marne nicht gekommen. 
Brauchbare, wehrpflichtige Männer — das sei nochmals betont — wären im 
Überfluß vorhanden gewesen. Nach den Ausführungen des bereits erwähnten 
Generals Buat hätten wir 1914 etwa 600000 Mann mehr in Kampfeinheiten auf¬ 
stellen können. Das wären fast 15 Armeekorps gewesen! 
Die von unserem Kriegsministerium geltend gemachten Schwierigkeiten würden 
nicht oder wenigstens nicht in so hohem Matze bestanden haben, wenn wir rechtzeitig 
darangegangen wären, die tatsächliche Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht 
zu sichern und die dafür erforderlichen Formationen aufzustellen.
	        
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