Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hans (Barde 
den Reichskanzler nachdrücklich hin. Er betonte dabei, daß mit einem rücksichtslosen 
Einsatz der Kräfte Italiens zugunsten des Dreibundes nicht zu rechnen sei. Seine 
ftüher erwartete 3. Armee (5 Armeekorps und 2 Ravalleriedivisionen) werde dieser 
Verbündete nicht an den Gberrhein schicken. Seine Hilfe werde nicht über die Fesse- 
lung verhältnismäßig schwacher französischer Kräfte hinausgehen. „Gewiß sind es 
große personelle und pekuniäre Opfer, die von der Nation bei der Erfüllung der 
hierdurch hervorgerufenen und im Teil II der Denkschrift näher dargelegten Zorde- 
rungen verlangt werden: sie werden aber immer noch erheblich hinter 
denjenigen zurückbleiben, die wir im Kalle eines verlorenen Feldzuges 
zu leisten haben werden." 
Im zweiten Teil der Denkschrift wurden die Forderungen gestellt, die sich haupt¬ 
sächlich aus die folgenden Punkte bezogen: Etatserhöhungen bei allen Waffen, Reu- 
aufstellung von mindestens 3 Armeekorps, Ergänzung der Fußartillerie, der Pioniere 
und Verkehrstruppen, Flieger und Trains, Verbesserung der Heeresausrüstung 
(Feldküchen, vermehrte Munitionsreserven, Flugabwehr-Ranonen), Ausbau von 
Festungen usw. 
Es wurde dabei betont, daß Menschen für die Heeresverstärkung reichlich zur 
Verfügung standen. Spannten wir in gleichem Umfange wie Frankreich unsere 
Volkskraft an, so kämen wir bei Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht zu einer 
Erhöhung des Rekrutenkontingents um 130000 Mann, unserer Friedensstärke um 
300000 Mann. „Eine vermehrte Heranziehung der jüngeren Jahrgänge" — dieser 
Hinweis verdient besondere Beachtung — „ist schon eine soziale Pflicht. Man würde 
damit die älteren Jahrgänge, in denen zahlreiche Familienväter vorhanden sind, 
entlasten und ihre Verwendung vor dem Feinde hinausschieben. Es würde ver¬ 
mieden werden, daß ein großer Teil der Landwehrleute, die jetzt Reserveformationen 
zugewiesen sind, sofort ins Feld ziehen muß, während Tausende von jungen Leuten 
zu Hause bleiben, weil sie nicht ausgebildet sind." 
ver Erfolg dieser Mahnungen war das Friedenspräsenzgesetz vom 3. Juli 1913. 
Es erfüllte bei weitem nicht alle Forderungen des Generalstabes, brachte aber immer¬ 
hin eine Verstärkung des Friedensheeres um 117267 Mann, die größte, die es bisher 
gegeben hatte. Auswirken konnte sich die Verbesserung indessen erst allmählich, wäre 
die Erhöhung, die durch die Gesetze von 1912 und 1913 angeordnet wurde (zusammen 
rund 146000 Mann), auf Grund der Schlieffen-Venkschrift bereits im Jahre 1906 
vorgenommen worden, d. h. wären vom herbst 1906 ab jährlich 73000 Rekruten 
mehr eingestellt worden, so hätten wir im Sommer 1914 über eine halbe 
Million fertig ausgebildeter Soldaten mehr gehabt, als es tatsächlich der 
Fall war. was das für die Erfolge unserer Waffen hätte bedeuten können, leuchtet 
ohne weiteres ein! 
Eine volle Ausnutzung der gesamten Volkskraft, so wie sie bei den Franzosen an¬ 
spannt wurde, wäre aber auch dann noch nicht erreicht worden. Selbst das Gesetz 
von 1913 erfaßte noch keineswegs alle zum Waffendienst tauglichen Männer. Rach 
einer Erklärung des Reichskanzlers im Reichstage am 5. Mai 1914 sind im Jahre 
1913 noch 38000 vollständig wehrfähige Leute nicht zum Dienst eingestellt worden. 
Dabei waren die Ansprüche an die Tauglichkeit in Deutschland im Gegensatz zu 
Frankreich so hohe, daß sie ohne Bedenken hätten herabgesetzt werden können. 
In unserer so ungeheuer gefährdeten Lage hätte unbedingt jeder Mann, der
	        
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