Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

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Hans Garcke 
Die Ausgaben für die Wehrmacht (Heer und Marine zusammen) aus den Kops 
der Bevölkerung betrugen in jener Zeit in Frankreich 29,94 Mark, bei uns nur 
21,31 Mark. 
Durch seine Gpferwilligkeit erreichte es Frankreich, daß es gegen Ende des ersten 
Jahrzehntes im neuen Jahrhundert im ganzen mehr Mannschaften ins Feld stellte 
als Deutschland, obwohl es damals über 20 Millionen Einwohner weniger zählte, 
wenn man nämlich die kriegsmäßige Stärke der im Mobilmachungsfalle aufzu¬ 
stellenden Formationen im Jahre 1909 verglich, so ergab sich folgendes Bild: 
Deutschland Frankreich 
Stärke der Feld-, Reserve-und Ersatztruppen 2232605 2341187 
Landwehrtruppen einschl. Crsatzformationen 490146 782758 
Zusammen 2722751 3123945 
Frankreich stellte 1909 nicht weniger als 8,2%, Deutschland nur 5,5% seiner 
Bevölkerung ins Feld! Allerdings behielten wir nach Aufstellung unserer Kriegs- 
formationen auf Grund des im ganzen verfügbaren Mannschaftsbestandes noch 
775000 ausgebildete Mannschaften übrig, Frankreich nur 87000h. Zu jener Zeit 
begann Frankreich aber auch noch mit versuchen zur militärischen Ausnutzung seiner 
Farbigen. 
Rußland entfaltete eine eifrige Tätigkeit, um mit finanzieller Unterstützung durch 
Frankreich die Schäden des verlorenen Krieges auszugleichen und sein Heer über 
die frühere Stärke hinaus zu fördern. England stellte eine zwar kleine, aber gute 
Truppe zum Kampf auf dem Kontinent bereit. Die uns verbündete Donaumonarchie 
war in ihrer militärischen Rüstung stark zurückgeblieben. Aus die Hilfe Italiens wurde 
nicht mehr ernsthaft gerechnet. Die Überlegenheit des Dreiverbandes über die Mittel¬ 
mächte wurde immer bedrohlicher. Llogd George war es, der schon im Sommer 1908 
in einer Rede in der (Queens hall ausgeführt hatte: „Deutschland steht zwischen 
zwei Großmächten, die zusammen eine weit größere Truppenzahl aufstellen können, 
als Deutschland sie hat... Denken Sie sich, wir (die Engländer) ständen hier vor 
einer Kombination, die uns der Invasion preisgäbe,- denken Sie sich, Deutschland 
und Frankreich oder Deutschland und Rußland oder Deutschland und Österreich 
hätten Flotten, die, kombiniert, stärker wären als die unselige, wären wir nicht er¬ 
schreckt? würden wir nicht rüsten? — Selbstverständlich würden wir rüsten!" 
Trotz alledem verzichtete unsere Regierung im Jahre 1910, als das (Quinquennats- 
gesetz von 1905 ablief, auf das Einbringen einer neuen Heeresvorlage. Sie beschloß 
vielmehr, das Gesetz von 1905 stillschweigend ein Jahr weiterlaufen und das neue 
erst am 1. April 1911 in Kraft treten zu lassen. Ihre Forderungen hielten sich in 
den bescheidensten Grenzen. Die Dermehrung des Heeres betrug nur knapp 
10000 Mann. Der von dem Reichsschatzsekretär aufgestellte Grundsatz „Reine Aus¬ 
gabe ohne Deckung" hatte an sich gewiß seine Berechtigung,- in seiner damaligen 
wirtschaftlichen Blüte wäre aber das Deutsche Reich doch sicher in der Lage gewesen, 
für größere Ausgaben Deckung zu schaffen, als geschehen ist. 
Im Jahre 1911 verschärfte sich die politische Lage: Es kam die Marokkokrise 
und der Krieg zwischen dem noch zum Dreibunde gehörenden Italien und der uns 
befteundeten Türkei,- 1912 folgte der Balkankrieg. 
l) o. Kubi, Der deutsche Generalstab.
	        
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