Volltext: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen

Aus den Hintergründen der politischen Geschichte der Nriegrjahre 
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übereilte aktive Teilnahme am Kriege herbeigeführt, verkenne vollkommen die Tat¬ 
sachen und sei blind gegenüber dem einwandfreien Beweismaterial", hat Senator 
Gerald p. Nge von North Dakota, der Vorsitzende im Nlunitionsausschuß, in einer 
Rundfunkrede klar zum Ausdruck gebracht. Oer deutsche Soldat hat damals ganz 
genau gefühlt, wie es mit Woodrow Wilson stand. 
Ganz hat sich auch Bethmann Hollweg nicht täuschen lassen. Freilich kennt er 
die Ansichten Wilsons und seines Freundes house über einen „gerechten" Frieden 
nicht,- ahnt nicht, daß ein solcher schon vor Verdun, nach den Siegen in Rußland, nach 
der Niederwerfung Serbiens, Elsaß-Lothringen Deutschland entreißen sollte. Aber 
lvilsons Noten, das Ausscheiden Brgans aus seiner Regierung haben ihn doch ge¬ 
warnt. Als Treuhänder den Präsidenten die Friedensbedingungen festsetzen lassen, 
das will er nicht. In diesem Sinne lehnt er seine Vermittlung ab. Um so lieber aber 
wäre es ihm, wenn jener ein im Nlai 1916 gegebenes versprechen Gerards wahr¬ 
machen, die kriegführenden Nkächte an den Konferenztisch rufen wollte. Dazu drängt 
der österreichische Nlinisterpräsident Gras Bunan auf einen selbständigen Schritt 
der Zentralmächte: sie sollen, sobald Rumänien niedergeworfen ist, mit einem Frie¬ 
densangebot hervortreten. Könnte man nicht dem Präsidenten die Pistole auf die 
Brust setzen? Ihm erklären: Trittst du nicht endlich mit deinem Aufruf hervor, so 
machen wir es selbst? Jetzt wäre es möglich, wo der Fall von Bukarest bevorsteht. 
Später vielleicht auf lange Zeit nicht. 
Am 22. November geht ein Telegramm an Bernstorff: wir wollen mit unsern 
Verbündeten Bereitwilligkeit ankündigen, in Friedensverhandlungen einzutreten. 
Gleich darauf, sich kreuzend, trifft ein Telegramm von jenem ein: „Zwischen jetzt 
und Neujahr" hofft Wilson seinen Ruf erschallen lassen zu können. Staatssekretär 
von Zagow antwortet am 26. November: „Friedensaktion Wilsons würden wir 
unserem Schritt vorziehen; hierfür jedoch unbedingt nötig, daß Wilson sich bald 
entschließt." Wilson möchte! Aber mit zäher Energie widersetzt sich house, erklärt 
ihm, die Alliierten würden das für einen unfreundlichen Akt ansehen. „Oie Deutschen 
wollen uns durch Drohungen zwingen, zu handeln!" ruft er dem in diesem Punkt 
sehr empfindlichen Präsidenten zu. Auch als dieser seine Note am 15. November auf¬ 
gesetzt hat, bleibt house hartnäckig. Und Wilson will gegen seinen Rat nichts 
tun. Beide ringen miteinander — nicht nur um den Zeitpunkt der Herausgabe, nein, 
auch um den Wortlaut der Note, was Wilson entworfen hatte, war ein dringendes 
Vermittlungsangebot, keine Partei bevorzugend; was house daraus machte, war 
eine Aufforderung an beide Parteien, ihre Friedensbedingungen zu nennen, unter 
besonderer Schonung der Alliierten. Zu houses verzögerungsarbeit tritt noch am 
11. Dezember eine Kabinettskrisis in England: Asquith, verdächtig, Friedens¬ 
neigungen zu haben, wird unter lebhafter Mitwirkung des Generals Sir henr^ 
Wilson, des Freundes von Foch und britischen Generalstabschefs im letzten Kriegs- 
jahr, durch den KnocK-out-Mann Llopd George ersetzt. 
Zn die Washingtoner Zweifel und Erwägungen schlägt wie eine Bombe ein das 
Friedensangebot der Zentralmächte vom 12. Dezember, house verdächtigt es — 
es wird ein Scheinmanöver sein —, aber man sollte doch versuchen, zu erfahren, 
was die Zentralmächte eigentlich wollen. Also Zeitgewinn! Der britische Botschafter 
in Washington drahtet auf sein Betreiben nach London, man möge mit der Antwort 
warten. Glatte Ablehnung. Freilich, der dortige amerikanische Botschafter hat ja
	        
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