kau bis zu dem Wunderrabbi in Galizien, lebte im Geist auf feiten
Englands und Frankreichs. Dort in Paris auch der Sitz der mäch¬
tigen Alliance Ifraelite Universelle (Jüdische Welt¬
gemeinschaft), angeblich nur ein Wohltätigkeitsinstitut, aber von
Einfluß auf Presse, Börse, Politik überall auf der Erde, und, ihr
nicht allzu fernstehend, die Freimaurerloge Gro߬
orient von Frankreich.
Das große geistige Band von Kunst und Wissenschaft in ganz
Europa zerrissen. Die Gelehrten der Mittelmächte aus den Akade¬
mien der Gegner ausgestoßen. Kampf! Kampf der Hirne wie der
Hände, Kampf um die Seelen der Menschen! Kampf, das eigene
Volk zu stärken! Kampf, die Neutralen zu gewinnen! Kampf, die
Gegner zu entmutigen! Kein Krieg ohne Vorbereitung! Keine
geistige Mobilmachung ohne vorhergegangene FriedensarbeitI Was
war dafür in Deutschland geschehen?
In Deutschland selbst genug durch nationale Kraft- und Mahnzentren:
den Alldeutschen Verband, den Flottenverein, die Kolonialgesellschaft,
den Verein für das Deutschtum im Ausland, den Allgemeinen Deutschen
Schulverein, den Verein Deutscher Studenten, den Kyffhäuserbund der
Kriegervereine und viele andere. Da war Leben, Wille, Erfolg. Der
irgendwie seelisch erreichbare Teil Deutschlands 1914 mit Stolz und
Tatkraft geladen. Für manchen unverbesserlichen deutschen Träumer
kam das Aufschrecken aus Utopien allerdings erst mit dem ersten
Kanonenschuß.
Aber deutsche Werbung im Ausland? Von Anfang an ein schweres,
unvermeidbares Hindernis: die deutsche Druckschrift, die der Ausländer
so wenig lesen kann, wie wir etwa russische Bücher oder neugriechische
Zeitungen. Radio erst im Entstehen. Kino in den Kinderschuhen. Aus
Deutschland heraus war nicht viel zu machen. Man hätte sich zum Seelen¬
fang im Ausland der Auslandskräfte selbst bedienen, rechtzeitig und mit
allen Mitteln dort auf Presse, Vereine, Versammlungen einwirken müssen.
Deutsche Saat in fremde Seelen.
Hier war so gut wie nichts geschehen. Deutschsprachige Zeitungen von
Bedeutung bestanden im feindlichen Ausland nur in Petersburg und
Riga. Alles andere waren mehr oder minder Käseblättchen für die
örtliche deutsche Kolonie. Unsere Auslandsvertretungen begriffen dies
Problem überhaupt nicht, das sich jedem Mann der Feder bei jeder
Auslandsreise aufdrängte, und dem Auswärtigen Amt selbst war es
noch gleichgültiger. Freiherr Adolf v. Marschall, Botschafter in Kon¬
stantinopel und London, war einer der wenigen Missionschefs, die sich
vor dem Krieg mit Verständnis der Presse bedienten. Im ersten Kriegs¬
winter gründete dann der Reichskanzler a. D. Fürst Bernhard v. Bülow
als Botschafter in dem noch neutralen Rom einige Blätter in italieni¬
scher Sprache. Aber es war zu spät.
Dabei war man in Deutschland geneigt, jedes im Ausland in deutscher
Sprache erscheinende Blatt für „deutschfreundlich" zu halten. Oft ein
Irrtum. Der „Reuen Zürcher Zeitung" etwa konnte niemand Wohl¬
wollen für Deutschland vorwerfen.
1843—1912
1849—1929
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