Volltext: Der Weltkrieg

„In Allenstein betrat ich die Kirche während des Gottesdienstes. Ms 
der Geistliche das Schlußgebet sprach, sanken alle Anwesenden, junge 
Soldaten und alte Landstürmer, unter dem gewaltigen Eindruck des 
Erlebten auf die Knie. Ein würdiger Abschluß ihrer Heldentaten." 
Und ebenso Ludendorff: „In der protestantischen Kirche zu Allenstein 
sagten der General v. Hindenburg und ich Gott dem Allmächtigen tief¬ 
bewegt Dank. Ich konnte mich des gewaltigen Siegs nicht aus vollem 
Herzen freuen. Die Nervenbelastung durch Rennenkampfs Armee war 
zu groß gewesen." 
Nennenkampf hatte wirklich den Deutschen den erhofften 
Gefallen getan und nicht in die Schlacht bei Tannenberg ein¬ 
gegriffen! Er war inzwischen auf russische Art — immer langsam 
voran — gegen Königsberg vorgerückt, wo er die deutsche Haupt¬ 
macht wähnte. Nach dem Menetekel von Tannenberg zog er die 
Fühlhörner wieder ein und baute sich weiter rückwärts längs des 
Flüßchens Deime und der Alle von der Kurischen Nehrung bis zu 
den Masurischen Seen auf. 
Seen — nicht Sümpfe! „Sumpf ist Trumpf!" jubelte es damals 
in Deutschland. Nein: Vom Mauer- bis zum Spirdingfee dehnt 
sich eine Kette mächtiger klarer Wasserspiegel, von Wald umkränzt, 
in einem schwermütigen landschaftlichen Reiz. Durch die Land¬ 
engen dieses schwierigen, den Deutschen genau bekannten Geländes 
krallt sich Hindenburg in sofortiger neuer Schlacht an den 
Masurischen Seen dem zweiten Gegner, der Rennenkampf- 
schen Njemenarmee des Ostens, in die linke Flanke. 
Die beiden dem deutschen rechten Heeresflügel zu früh im 
Westen entnommenen Armeekorps sind inzwischen, zu spät, im 
Osten angekommen und verstärken dort die deutsche Front. 
Nach einem irrigen Gerücht hatte Rennenkampf bei Kriegsaus¬ 
bruch seinen deutschen Namen in einen russischen umtaufen lassen, 
der in der Übersetzung etwa lautete: „Der Mann, der läuft." Er 
machte seinem neuen Namen Ehre. Er konzentrierte sich, ohne ein 
neues Tannenberg abzuwarten, in Eile rückwärts und zog eben 
noch den Kopf aus der Schlinge. Aber mit 70 000 Toten und Ver¬ 
wundeten und 45 000 Gefangenen — bei den Deutschen unter 
Hindenburgs Führung im ganzen 9000 Mann! — mußte er doch 
die Rettung der Reste seiner Armee zahlen. In wirren Hausen 
wälzten sich die Trümmer Asiens und Halbasiens über die Grenze 
und weiter über den Njemen nach Rußland zurück. 
Der — zu Anfang des Krieges weit überschätzte — russische Heer¬ 
führer, Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, drahtete dem Zaren: „Ich be¬ 
kenne offen, daß ich nicht verstanden habe, die Ausführung meiner An¬ 
ordnungen durchzusetzen, daher lege ich mein schuldiges Haupt Eurer 
Majestät zu Füßen." 
Vorläufig war das nur eine Redensart. Noch war das Maß des 
Kriegshetzers und Menschenschlächters nicht voll. 
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