Aber das Grundübel des Heimatkriegs wird nach wie vor nicht
gebessert, weil es nach wie vor von den zuständigen Stellen nicht
erkannt wird. Der Deutsche wird nach wie vor zwangsbeschuht,
zwangsbekleidet, zwangsernährt, zwangsbeheizt, an allen Ecken und
Enden zwangsbewirtschaftet. Er wird organisiert, reglementiert,
rationiert. Er hat hundert Karten, Bezugsscheine, Strafbefehle in
der Tasche. Er steht Schlange. Er hungert. Er friert. Er leidet
immer noch tapfer und geduldig, ein Held der Heimat — vor allem
die Frauen. Aber er möchte endlich wissen, wofür und wie lange
noch. Er möchte endlich die Kriegsziele wissen, und ob und wie
sie zu erreichen sind. Er erfährt nichts.
Irgendwo aber muß sich die Hoffnung anklammern, die allein in
schweren Tagen den Sterblichen aufrechterhält — da steigen vor den
sehnenden Augen erst aus der Schweiz, dann aus dem Inland, die
Teufelsschlösser einer defaitistischen Luftspiegelung empor.
4. April 1915 Die schon zu Kriegsbeginn in Lausanne erschienene, gegen Deutschland
gerichtete Schandschrift Richard Grellings „J’accuse", die im Aus¬
land in 10 Sprachen, darunter dem Chinesischen, und in ungezählten
Auflagen verbreitet ist, vergiftet seitdem, Jahr um Jahr, auch in Deutsch¬
land die Geister.
Die von Grelling, einem jüdischen Berliner Rechtsanwalt, gegründete
„Deutsche Friedensgesellschaft" schmuggelt den gedruckten Landesverrat
nach den Feststellungen des Mitgliedes des Reichsarchivs Hans T h i m m e
unter dem Decktitel „Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und
der Schweiz" ein. Die „Deutsche Liga für Menschenrechte" hilft. In
einem neuen dreibändigen Verleumdungserguß, „Das Verbrechen", for-
Januar 1918 dert Grelling die Hinrichtung des Deutschen Kaisers! Jetzt erst wird
gegen die Schmierfinken, endlich nach 3 Jahren, ein Landesverratsver¬
fahren eingeleitet.
Noch unbegreiflicher ist die Duldsamkeit der höchsten deutschen Gerichte
gegenüber der Denkschrift des ehemaligen deutschen Botschafters in Lon-
Sommer 1916 don, Fürsten Felix Lichnowsky, „Meine- Londoner Mission
1912—1914", in der er sich politisch ganz auf die Seite Englands stellt
und Deutschland die „Kriegsschuld" zuschreibt.
Das Werk war nur für einen vertrauten Kreis bestimmt. Aber der
aus einem Berliner Garderegiment hervorgegangene religiös-pazifistisch
Juli 1917 gewandelte Hauptmann v. Beerfelde sorgte für die millionenfache Ver¬
breitung im In- und Ausland.
Juli 1913 „Ich wandte mich jetzt nochmals an den Reichskanzler", schreibt Luden¬
dorff, „und erklärte ihm, daß das sgerichtlichej Verfahren gegen den
Fürsten mit Rücksicht auf die Truppe, die für unsere gute Sache weiter
zu kämpfen und zu sterben bereit sein müsse, eine militärische Notwendig¬
keit sei. Es geschah nichts."
Nur der Hauptmann v. Beerfelde wurde vor Gericht gestellt und,
ebenso wie eine beteiligte Sekretärin, freigesprochen.
Vogelstraußpolitik gegenüber dem gefährlichsten Haus, daß es in
Deutschland und für Deutschland gab. Blutrot wehte die Sowjet-
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