Volltext: Der Weltkrieg

16. April 1917 
6./7.November 
1917 
7. November 
1917 
8. November 
1917 
8. November 
1917 
Massen von Soldaten und Arbeitern und umjubeln das einstige Palais 
der geflüchteten Tänzerin Mathilde Kschesstnska, der Großfürstengeliebten 
und „sympathischen Generals für Bestechung", wo der Schreckensmann 
sein Hauptquartier aufschlägt. 
Es kommen die Tage, in der Bolschewistensprache, „in denen eine 
unbekannte Gottheit die Werke aller Uhren vorwärtsjagt", das heißt: die 
russische Armee durch kommunistische Propaganda bis auf die Knochen 
zersetzt, ihrem endgültigen Zusammenbruch im Weltkrieg entgegentreibt. 
„Lenin", schreibt Baleriu Marcu, „galt als der Schuldige der Nieder¬ 
lage. Er wurde plötzlich zum Dämon, der imstande sei, Niederlagen, 
Plünderungen, Katastrophen zu gebären." 
Kerenski verhaftet, was ihm an Bolschewisten erreichbar ist. Nur 
Lenin selber kann er nicht fassen. Der hält sich in Verkleidung ver¬ 
borgen, flieht nach Finnland, kommt heimlich nach Petersburg, organi¬ 
siert den Gegenaufruhr. 
Jäh, wie zur Zarenzeit die Dynamitminen der Nihilisten, sprengt 
jetzt der Aufstand der Bolschewisten die Regierung der Zarenstürzer 
in die Luft. 
Um das riesige Winterpalais, zu dessen Schutz englische Panzerwagen 
mit englischen Artilleristen aufgefahren sind, wird wütend gekämpft. 
Bewaffnete Proletarier und Weiber laufen zum Sturm über die große 
freie Fläche an. Innen verteidigen sich verzweifelt hinter Barrikaden 
die zarentreuen Fähnriche der Kriegsschule. Auch auf ihrer Seite fechten 
fanatische Frauen mit. Von der nahen Newa donnert mit Schein¬ 
werfern durch die Nacht der revolutionäre Kriegskreuzer „Morgenröte 
der Freiheit". Um 2 Uhr früh wird das Winterpalais genommen. 
Ungefähr zur gleichen Zeit auch in Moskau der von Offiziersaspiranten 
verteidigte Nikolaipalast im Kreml. Österreichische Kriegsgefangene stür¬ 
men da Schulter an Schulter mit den Bolschewiken den steilen Wald¬ 
hang zu dessen rückwärtigen Backsteinmauern. 
Kerenski wird in dem Zarenschloß Gatschina, eine halbe Eisenbahn¬ 
stunde von Petersburg, mit den Seinen von Matrosen und Kosaken um¬ 
zingelt. Alle andern gefangengenommen. Nur der „kleine Napoleon", 
der Rechtsanwalt Kerenski, spaziert in einer Verkleidung, die er selbst 
„absurd" nennt, nämlich als ältliche Herrschaftsköchin, auf offener Straße 
an den ahnungslosen Roten Garden vorbei und entkommt in das Aus¬ 
land. 
Lenin ist Sieger. Von diesem Tage ab wütet in Rußland der 
Bolschewismus bis auf unsere Tage. 
Die Zahl seiner Blutopfer dort bis auf die Gegenwart geht in 
die Millionen! Ein Taucher im Hafen von Odessa wurde irrsinnig, als 
er unten in dem Schlammgrund die Leichen der vielen hundert ertränkten 
Marineoffiziere in Reihen aufrecht stehen sah. Nirgends blühten, zum 
Ergötzen der Schreckensmänner, in dem rauhen Klima Moskaus die 
Blumen üppiger als in einem Gärtchen auf dem Kreml, wo die regel¬ 
mäßigen Massenhinrichtungen den Erdboden mit Menschenblut gesättigt 
hatten. 
Lenins erste Worte vor dem neu als Regierung eingesetzten 
„Rat der Volkskommissare" im Saal des ehemaligen 
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