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Die Flieger
In Brest-Litowsk notiert gegen Ende des Krieges der österrei-
s. Februar chische Außenminister Graf Czernin in sein Tagebuch:
„Kürzlich waren die beiden Brüder Richthofen hier. Der Altere hat
etliche sechzig, der Jüngere nur etliche dreißig feindliche Flieger im
Luftkampf abgeschossen. Der Altere hat ein Gesicht wie ein junges hüb¬
sches Mädchen. Er erzählt mir, ,wie man das macht'! — Es fei sehr
einfach, man müsse nur ganz nahe an den feindlichen Flieger heran, non
rückwärts, und dann fest schießen — dann fiele der andere herunter.
Nur müsse der Mensch den ,eigenen Schweinehund' besiegen und sich
nicht davor scheuen, ganz nahe an den Gegner heranzufliegen. Moderne
Helden!"
Bei Beginn des Krieges war es mit der deutschen Fliegerei noch
geb. 1892, gc- nicht so weit, und Manfred Freiherr von Richthofen
!ampf2rApril noch Leutnant bei den Westpreußischen Ulanen. Das Flugzeug war
1918 in den letzten Friedensjahren von der Heeresleitung ein wenig
stiefmütterlich behandelt worden, gegenüber dem großen Bruder,
dem Zeppelin, auf den man alle Hoffnungen setzte. Sie erfüllten
sich leider auf die Dauer nicht. „Das Luftschiff", schreibt Ludendorff,
„schied aus den Kampfmitteln des Heeres aus, es bot zu große
Ziele."
In den Manövern der letzten Vorkriegsjahre noch konnte man
Äußerungen hören, wie: „Wenn die Flugzeuge zu hoch fliegen,
sehen sie nichts, und wenn sie zu niedrig fliegen, schießen wir
sie ab!"
Tatsächlich sind dann im Lauf des Krieges die Flugzeuge, die
anfangs kaum 1000 bis 1500 Meter Höhe erreichen konnten, bis
zu 7000 Meter aufgestiegen, wo man sie nicht mehr hörte und sah,
während sie mit Fernrohren auf der Landstraße ein einspänniges
von einem zweifpännigen Fuhrwerk unterscheiden konnten, und
ebenso tatsächlich sind um diese Zeit die Infanterieflieger, aus ihrem
Maschinengewehr Verderben spritzend, kaum 30 Meter über den
Köpfen der feindlichen Infanterie dahingebraust, ohne getroffen
zu werden.
Natürlich schenkte doch das Heer der neuen Waffe Beachtung.
Die Friedensarmee von 1914 zählte bereits 4 Fliegerbataillone.
Ihre Albatros-Zweidecker und die zierlich gerundeten Rumpler¬
tauben hatten eine Höchstgeschwindigkeit von 90 Kilometer in der
Stunde, während im letzten Kriegsjahr die O 7-Fokker es auf
250 Kilometer brachten, und waren mit ihren 50- bis 70pferdigen
Motoren den lOOpferdigen der Franzosen unterlegen. Ebenso
an Zahl.
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