Volltext: Der Weltkrieg

Mit der für Deutschland blutigen Neiterschlacht von 
S m o r g o n, nach Ludendorffs Worten einem „Kampf von tra¬ 
gischer Größe", endet der Sommerfeldzug in Polen. Fast schnur¬ 
gerade läuft die Front der Mittelmächte gegen Halbasien, über 1000 
Kilometer lang, vom Rigaischen Meerbusen bis zum Ostrand der 
Karpathen. 
Eine gewaltige Landfläche — ungefähr doppelt so groß wie 
Bayern, Württemberg und Baden zusammen — ist dem Zaren¬ 
reich entrissen. Die mehr als 400 Fabriken Warschaus für Metalle, 
Mehl, Tabak. In und um Lodz ebenso viele Woll- und Baum¬ 
wollspinnereien. Das Kohlenbecken von Dobrowa unten an der 
Dreikaiserecke. Zahlreiche Zuckerfabriken. Das so kriegsnotwen¬ 
dige Leder. Holz im Überfluß, wie in dem riesigen, damals noch 
vom Wisent durchstapften, von dem bayerischen Forstrat Georg 
E s ch e r i ch bewirtschafteten Bialowiezer Urwald. 
Ganze Armeen von Verwaltungsbeamten aus dem schon daheim 
männerarmen Deutschland sind erforderlich. Schwieriger als in 
Belgien, wo die Deutschen, oft mehr als nötig, auch gegenüber den 
Flamen, Französisch radebrechen, die unverständliche polnische 
Sprache. Dolmetscher überall, in einem grausamen „Jiddisch", die 
polnischen Juden, die oft so übersetzen, wie es ihnen in ihren 
eigenen Kram paßt. 
Um das Gouvernementsgebäude in Warschau herum die Paläste 
des sarmatischen Hochadels in der prunkvollen Krakauer Vorstadt. 
Er verfolgt natürlich seine großpolnischen Ziele und hofft auf die 
Franzosen. Gleich daneben in der Miadowa das Palais des Erz¬ 
bischofs Dr. Alexander Kakowski. Er spielt den Deutschen gegen¬ 
über dieselbe Rolle des feindlichen und unangreifbaren Kirchen¬ 
fürsten wie der Kardinal Mercier in Brüssel. Österreich als 
geschichtliche katholische Vormacht hat es in dem katholischen Polen 
leichter. Es sagt den Verbündeten auch nicht alles, was es vor¬ 
hat ... . Eifersüchteleien und Quertreibereien so gut zwischen 
Budapest und Wien wie zwischen Lublin und Warschau. 
Rach Clausewitz' klassischer Strategielehre ist Gegenstand der 
Kriegführung das Heer des Feindes, nicht sein Land. Ein großes 
Stück Land hatten wir. Das russische Heer stand noch, wenn auch 
blutig zerzaust. Mit Menschen wurde dort drüben immer noch 
gewüstet, als ob der Vorrat unerschöpflich sei. Verluste von weni¬ 
ger als 40 000 Mann wurden dem Zaren als Bagatelle überhaupt 
nicht erst gemeldet. 
Nikolaus II. aber schreibt an seinen Oheim, den Generalissimus 
Nikolai Nikolajewitsch, daß er ihn „unter tiefstem Dank" zum 
Dizekönig und Oberbefehlshaber des Kaukasus ernennt, das 
heißt am äußersten Ende Rußlands, kaltstellt. Der Großfürst 
geb. 187» 
i. Sept. 1915 
181
	        
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