Volltext: Der Weltkrieg

ein „Haufen rauchender Trümmer", in denen gestern noch 70 000 
Menschen wohnten. Die Russen haben ihren alten Kriegsüberliefe¬ 
rungen gemäß ihre eigene Stadt angezündet. 
„Wie gebannt standen wir vor dem gigantischen Schauspiel", schreibt 
Hauptmann Pehlemann; „vor uns, soweit das Auge reichte, ein ein¬ 
ziges großes, riesenhaft scheinendes Meer zum Himmel emporschlagen¬ 
der Flammen, über dem eine mächtige schwarze Rauchwolke, die Sonne 
verdunkelnd, emporstieg und weit in die Lande verkündete: Brest ist 
gewesen!" 
,„Nikolai Nikolajewitsch^, rang es sich von den deutschen Lippen." 
Don Norden her nahte schon vorher unheilvoll den Russen die 
Narewarmee. Sie hatte es bei Beginn des Vormarschs leichter. 
„Das Gebiet ist ein mit Waldstücken bedecktes Hügelgelände. Der 
meist ärmliche Sandboden ist bei trockenem Wetter gangbar. Viele kleine 
Ortschaften gewähren kümmerliche, schmutzige, an Ungeziefer reiche 
Unterkunft." 
Besser die vereinzelten deutschen Ansiedlungen. „Diese", meldet der 
Generalstab des Feldheeres, „erkennt man am saubern Häuschen und 
Hof und an den gewaschenen Frauen und Mädchen." 
Die Kämpfen mdenNarew beginnen, der, einige 100 Fuß 
breit, aber flach und voll Sandbänke, jetzt im Hochsommer überall 
von der Kavallerie durchritten, vielfach vom Fußvolk durchwatet 
werden kann. Nur Geschütze und Geführte brauchen die Pioniere 
zum Brückenbau. 
Der Russe hat jetzt begriffen, daß er bei Warschau abgeklappt 
werden soll. Er baut dort in fliegender Eile ab. Um den Rückweg 
zu decken, hält er den Narew um jeden Preis. Wilde, vieltägige 
Kämpfe um den Übergang an verschiedenen Stellen. 
„Eine dunkle, warme Sommernacht", schildert ihn als Mitkämpfer 
Oberstleutnant Gustav Meyer. „Lautlose Stille und atemlose Span¬ 
nung herrschte. Hier dräuten unbekannte Wasserfluten. Es ist etwa 
3% Uhr morgens. Da ertönen weithin über das Feld brausende Hurra¬ 
rufe, Trommelwirbel und Hornsignale. Alle Truppen durchschreiten den 
Fluß. Wer ernstlich verwundet wird, versinkt in den Fluten des Narew. 
Seine Oberfläche spritzt unter den Kugeln. Die unaufhörlich einschla¬ 
genden Granaten wühlen seinen Grund auf. Der Fluß erscheint wie 
eine Riesenfontäne. Alle Verbindung zwischen den Ufern ist abgerissen." 
Mehr als eine volle Woche ringen die drüben Gelandeten, von 
den Ihren abgeschnitten, allein gegen die übermächtigen russischen 
Massenstürme. 
Am ersten Tag 12 Handgranatenangriffe hintereinander. „Der Kampf 
ist grimmig, männermordend", sagt der Kampfbericht. „In wütendem 
Nahkampf sticht der Füsilier Brozinski allein 17 Russen nieder. Die 
Munition ist fast verschossen. Verwundete können dem tosenden Kampf¬ 
getümmel nicht entzogen und müssen im feindlichen Feuer verbunden 
werden. Feuer darf nicht gemacht, die eiserne Portion muß kalt, das 
Brot muß naß verzehrt werden. 3 Tage und 3 Nächte keinen Schlaf!" 
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13. Juli 1915 
22. Juli bis 
8. August 1915 
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