Volltext: Unteilbar und untrennbar (1,1919)

Krieg gegen Rußland 1914. 
Noch ärger ging's in der ländlichen Umgebung von 
Czernowitz zu. Dort straften im Herbst 1914 russische An¬ 
alphabeten die rumänischen und ruthenischen Analphabeten 
mit Feuer und Schwert dafür, daß die Pforte im Jahre 1777 
die Bukowina an Maria Theresia abgetreten. In den 
Gemeinden jenseits des Pruth nahmen die Soldaten den 
Bauern weg, was sich wegnehmen ließ. In Kuczurmare, in 
Sadagüra, in Luzan, überall im Lande, wohin sich der Strom 
der russischen Invasion, in breiten oder dünnen Fäden ergoß, 
schwemmte er Hab und Gut der Einwohner mit sich fort. 
Nachts spiegelte der Himmel den Schein der angezündeten Ge-- 
Höste wieder; nicht einmal die Getreidevorräte auf den Feldern 
schonte der Feind. Zu Scheiterhaufen geschichtet, kündeten 
die brennenden fruchtschweren Halme, daß der „Erlöser" 
ins Land gekommen sei. Unverblümter Mordtaten machten 
sich die Russen während ihrer ersten Okkupation der Buko-- 
wina, soweit bekannt, nur einer einzigen schuldig. Sie betraf 
den Wirt von Kuczurmare, den sie mit dem Bajonett erstachen. 
Mit Verschleppungen aber, mit ungerechten Verhaftungen, 
Drangsalierungen und Mißhandlungen wehrloser Zivilisten 
sparten die Eroberer keineswegs. Ein Czernowitzer Ge-- 
lehrter, der die Russenherrschaft in Czernowitz und Um- 
gebung mit erlebt und geschildert hat, setzt an den Schluß 
seines Berichts die Worte: „Raub, Plünderung, Brandlegung 
und Vergewaltigung kennzeichnen den Weg, den die Russen 
in der Bukowina zurückgelegt haben." 
Am 8. September erhielt die besetzte Hauptstadt ihren 
ersten Gouverneur. Es war ein General Nawrocki, ein ele¬ 
ganter freundlicher Mann mit guten Manieren. Sein acht 
Tage dauerndes Regime ist den Ezernowitzern in relativ 
angenehmer Erinnerung. Peinlich war nur seine Anordnung/ 
daß die von der Bürgerwehr verhafteten Plünderer frei-- 
zulassen und an ihrer Statt die Bürgerwehr einzusperren 
sei. Sonst mengte sich der General nicht viel in die städti¬ 
schen Angelegenheiten und überließ den Verkehr mit der 
Gemeinde dem neu eingesetzten Stadtkommandanten, einem 
gutmütigen dicken Kapitän Lopatin. „Schwer ist das Krieg!" 
war sein Lieblingswort: „Mijchl' ich auch lieber zuhause sein, 
wo ich vier belle:» filles habe. Schwer ist das Krieg!" Am 
12. September tauchte, unheilverkündend, ein wohlbekanntes 
Gesicht in der Stadt auf, die hagere, bösartige Visage des 
Dr. Ger 0 wski. Die vaterlandsverräterischen Umtriebe 
dieses Mannes, der Prozeß gegen ihn, seine Flucht aus dem 
Gefängnis, all dies lag den Ezernowitzern noch lebhaft in 
Erinnerung; nun war, rebus sie mutatis, seine Rache zu 
befürchten. Sie blieb auch, wie die kommenden Tage lehrten, 
nicht aus. 
Am 1?. September wurde die Stadtverwaltung ins 
Gebäude der Landesregierung befohlen. Dort empfing 
sie der neue Zivilgouverneur der Bukowina, Exzellenz Semion 
Evreinow, Kammerjunker des Zaren. Als sein Sekretär 
fungierte Or. G e r 0 w s k i. Der Gouverneur richtete an die 
Erschienenen ein paar unverfängliche, fast freundliche Worte, 
die in seltsamem Widerspruch zu dem bösen, grausamen 
Ausdruck seines von einem schwarzen Bart umwucherten 
Gesichtes standen. Die Stadtverordneten glaubten den 
Worten; Recht behielt aber das Gesicht. Sechs Stunden 
nach der Urbanen Ansprache, um Mitternacht, drangen in 
die Wohnung des Bürgermeisters und in die anderer städtischer 
Würdenträger Soldaten ein. Der sie führende Offizier befahl, 
seinen Revolver im Anschlag, mit brüsken Worten den 
Überraschten auszustehen und schweigend zu folgen. Sie 
wurden alsogleich über die Grenze gebracht. 
meldete der
	        
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